Ich werde oft gefragt, warum ich mir das antue. Vor allem, warum immer wieder?
24 Stunden im Sattel…
Keine Pausen, die auch tatsächlich diese Bezeichnung verdienen. ..
Unzählige Kilometer fahren…
Von Bonus Location zu Bonus Location fahren, die Rallye Fahne aufhängen, ein Foto machen und zur nächsten Bonus Location eilen…
Und das alles für eine Urkunde und einen Aufnäher für die Jacke…?!?
Warum also?
Vielleicht liefern ja meine Erlebnisse auf der German Butt Rallye 2018 eine Antwort…?
Es ist Donnerstagvormittag und die Zeit will einfach nicht schneller vergehen. Ich sitze zu Hause an meinem Schreibtisch und habe mir vorgenommen, noch bis 12:00 Uhr zu arbeiten. Dann mache ich mich auf den Weg nach Österreich, dem Startpunkt der diesjährigen German Butt Rallye. Meine Kawasaki Versys steht bereits seit dem Vorabend fertig gepackt in der Garage und möchte nur noch gestartet werden.
Um 11:00 Uhr halte ich es nicht mehr aus. Das wird so nichts. Ich beende meinen Arbeitstag, werfe meine Motorradsachen über und ab geht es auf die Autobahn. Mein Plan sieht vor, heute bis Kirchheim im Innkreis zu fahren. Der kleine Ort in Oberösterreich liegt ungefähr 120 Kilometer vom Rallye Hauptquartier entfernt, hat eine kleine Pension und ein Gasthaus, dass bis 22:00 Uhr warme Küche anbietet. Also alles, was ich für den Abend brauche.
Die Entfernung von Idstein nach Kirchheim beträgt nur 530 Kilometer. Da die A3 allerdings wieder einmal hoffnungslos verstopft ist und eine Baustelle auf die nächste folgt, brauche ich knapp 7 Stunden bis ich endlich da bin. Wenigstens liegt der Wetterbericht falsch. Von den angekündigten Regenschauern, ist während der gesamten Fahrt nichts zu sehen.
Die Pension ist sauber und ordentlich. Der Betreiber so korrekt, dass er sogar mein Angebot auf den Meldezettel zu verzichten entrüstet ablehnt (das ist mir in Österreich noch nie passiert!).
Keine 200 Meter entfernt befindet sich ein Wirtshaus, dass ich bereits zuvor im Internet ausgekundschaftet habe. Also folgt nach der Ankunft eine schnelle Dusche, die Kawasaki wird wie üblich zugedeckt (sie hat dann nicht so viel Angst alleine in der Dunkelheit) und ab geht es zum Abendessen.
Mein Zimmer verfügt sogar über den Luxus eines eigenen Fernsehers, was in diese Preisklasse nicht unbedingt üblich ist, und so kann ich den Abend später in aller Ruhe beim Fußballspiel Frankreich vs. Deutschland ausklingen lassen.
Ausruhen und Schlafen sind mir heute Abend sehr wichtig, denn von beidem werde ich in den nächsten beiden Tagen nicht viel bekommen…
Nach einem ausgiebigen Frühstück mache ich mich gegen 09:00 Uhr am Freitagmorgen auf den Weg Richtung Rallye Hauptquartier. Der Startpunkt der diesjährigen German Butt Rallye ist ein Hotel in der Nähe von Kremsmünster.
Die letzten Kilometer bis zu meinem heutigen Ziel sind schnell gefahren. Die Landstraßen geben hoffentlich schon einmal einen Vorgeschmack auf das, was am Samstag folgen wird.
Als ich gegen 10:30 Uhr im Hotel ankomme, sind einige IBA Mitglieder schon vor Ort. Es hat immer wieder etwas von einem Familientreffen. Man kennt sich zum Teil seit Jahren und trifft sich zwei bis drei Mal pro Jahr.
Mein Zimmer ist zum Glück schon bezugsfertig. Schnell aus den Motorradsachen heraus und etwas bequemeres angezogen.
Gleich im Anschluss melde ich mich beim Rallyemaster an. Das sieht so aus, dass zunächst ein Foto von mir und meiner Rallye Fahne gemacht wird. Das geschieht mit der Kamera, die ich morgen auf der Rallye benutzen werde, um Fotos von meinen besuchten Bonus Locations zu machen. Die Speicherkarte meiner Kamera muss leer sein. So wird sichergestellt, dass meine Kamera am Ende der Rallye tatsächlich nur meine persönlichen Aufnahmen enthält. Die Rallye Fahne muss ich danach erst einmal wieder abgeben. Im zweiten Schritt muss ich ein mehrseitiges Dokument unterzeichnen, dass die Iron Butt Association und den Rallye Master von jeglicher Haftung meines Tuns ausschließt. Zur Sicherheit müssen zwei weitere Zeugen meine Unterschrift bestätigen. Eine verständliche Maßnahme.
All das ist bereits gegen 12:00 Uhr erledigt und der nächste offizielle Teil der Rallye ist erst für 16:00 Uhr geplant. Bis dahin sollen alle Rallyeteilnehmer das Check In Prozedere erledigt haben.
Also verbringe ich die nächsten 4 Stunden damit, bekannte Fahrer zu begrüßen, neue Fahrer kennenzulernen und mich von Plausch zu Plausch durchzuarbeiten. Auch ein Grunde, warum ich immer wieder gerne zur IBA komme…
Um 16:00 Uhr folgt der nächste Akt der Rallye. Jeder Fahr erhält einen USB Stick, auf dem im GPX Format alle Bonus Locations mit der jeweiligen Punktzahl gespeichert sind. Das bedeutet allerdings leider nicht, dass man bereits jetzt anfangen könnte, die ideale Rallye Route für den nächsten Tag auszuarbeiten. Ohne das zugehörige Rallye Book ist der Stick so gut wie wertlos. Man kann zwar sehen, in welchen Ländern und an welchen Orten sich Bonus Locations befinden, aber man weiß nicht, ob die Bonus Locations 24 Stunden verfügbar sind und welche in Kombination zusätzliche Punkte einbringen.
Trotzdem gehe ich auf mein Zimmer und lade die Datei auf mein Laptop. Die Bonuslocations liegen verteilt in Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakai , Slowenien und Kroatien. Die Wertigkeit der Punkte variiert zwischen 350 und 15.000 Punkten. Eine Arbeit kann ich allerdings bereits jetzt erledigen. Ich teile die Bonuslocations gemäß ihrer Wertigkeit in Kategorien ein. Niedrige, mittlere und hohe Punktzahl . Mehr geht aktuell leider noch nicht.
Zurück in der Hotellobby drehen sich alle Gespräche nur noch um Bonuslocations und Punktzahlen. Lohnt es sich bis Kroatien zu fahren? Werden die Orte mit hoher Punktzahl 24 Stunden anfahrbar sein, oder nur zu bestimmten Zeiten? Aber ohne Rallye Book ist das alles nur Spekulation.
Um 18:00 Uhr treffen sich alle Fahrer zum gemeinsamen Abendessen. Das BBQ Buffet ist gut, aber man merkt, dass alle mit den Gedanken woanders sind. Die Spannung in der Luft ist fast greifbar!
Als alle ihr Abendessen beendet haben ist es endlich so weit. Der Rallyemaster tritt vor, schaltet den Beamer vor der Leinwand ein und bittet um „Silentium“.
Jeder Fahrer bekommt nun ein kleines Paket. Dieses beinhaltet das Rallye Book, die Rallye Fahne und ein Formblatt, in das die angefahrenen Bonuslocations eingetragen werden müssen. Als Dreingabe befinden sich noch ein T-Shirt, ein Aufnäher und ein Aufkleber mit IBA Logo in dem Päckchen. Erst nachdem jeder Fahrer seine Unterlagen erhalten hat, dürfen die Pakte geöffnet werden.
Zu einigen Bonuslocation gibt es vom Rallyemaster mit Hilfe von Google Maps Ansichten noch Hilfestellung zum besten Anfahrweg, da die gängigen Navigationssysteme die Fahrer vor Ort in unwegsames Gelände führen würden. Am nächsten Morgen wird ab 05:30 Uhr für die Teilnehmer ein Frühstück bereit stehen. Von 06:30 Uhr bis 08:00 Uhr kann gestartet werden. Die Startlinie befindet sich am Ende des Parkplatzes hinter dem Hotel.
Mit dem obligatorischen Hinweis, dass es sich bei der Veranstaltung nicht um ein Straßenrennen handelt und das einzig und allein das Überfahren der Ziellinie ohne Unfälle und Verletzungen zählt, entlässt der Rallyemaster die Fahrer auf ihre Zimmer. Es ist mittlerweile 20:00 Uhr.
Wieder auf meinem Zimmer fahre ich den Laptop hoch und beginne mit der Planung. Wie viele Kilometer kann ich in 24 Stunden fahren? Wie viele Bonus Locations schaffe ich in dieser Zeit? Schaffe ich eine der Kombinationen von Bonuslocations zu fahren, die zusätzliche Punkte versprechen? Sind alle Ziele auf meiner Route auch zu der Zeit anfahrbar, wenn ich bei ihnen ankommen werde?
Nach 4 Stunden Planung ist es um Mitternacht endlich geschafft. 960 Kilometer und 29 Bonuslocations in 24 Stunden. Die Ziele liegen alle in Österreich, Tschechien und der Slowakei.
Die Streckenabschnitte lade noch einzeln in mein Navi, so dass sich immer ein Paar von einer Bonuslocation zur nächsten bildet. Da ich keine Möglichkeit habe meine Planung auszudrucken, trage ich alle anzufahrenden Punkte noch in eine Tabelle ein, die ich mir von zu Hause mitgebracht habe und die mir bereist in vorherigen Rallyes gute Dienste geleistet hat.
Als alles erledigt ist, lege ich mich endlich hin. Dem Wecker stelle ich auf 06:00 Uhr. Ab jetzt zählt jede Minute Schlaf. Dabei weiß ich jetzt schon, dass wie vor jeder Rallye die Aufregung und das Adrenalin gegen mein Schlafbedürfnis kämpfen werden…
Um 04:45 Uhr wird mir klar, dass ich den Wecker nicht brauchen werde. Ich liege hellwach im Bett und will nur noch eins: Endlich losfahren!
Also packe ich in Ruhe meine Sachen und ziehe mich an. Die Hotelrechnung habe ich bereits gestern Abend bezahlt. Das Hotelzimmer habe ich erst wieder von Sonntag auf Montag gebucht. Eine Nacht spare ich mir und muss dafür lediglich am Sonntag erneut einchecken.
Den Weg zum Frühstück verbinde ich damit, bereits Sachen auf dem Motorrad zu verstauen, die ich heute Morgen nicht mehr benötigen werde.
Obwohl es erst 05:30 Uhr ist, sind bereits viele Fahrer auf den Beinen. Das Frühstücksbuffet ist einladend und umfangreich. In der Gewissheit, mich in den nächsten 24 Stunden hauptsächlich von Crackern und Salamistangen ernähren zu müssen, lasse ich mir das Frühstück besonders schmecken. Papp satt ziehe ich anschließend auf meinem Zimmer meine Motorradsachen an, prüfe ein letztes Mal, dass ich nichts vergessen habe und mache mich auf den Weg zu meiner Maschine.
Hier folge ich meiner üblichen Routine:
Mein Rallye Ablaufplan kommt ins Kartenfach meines Tankrucksacks, so habe ich immer im Blick, welche Bonuslocations ich bereits erledigt habe und wie viele noch vor mir liegen. Ich klemme mein Hauptnavi (TomTom Raider 450) in die Halterung. Dieses Navi benutze ich für die Fahrt von Punkt zu Punkt, also von einer Bonuslocation zur Nächsten. Als nächstes folgt mein zweites Navi, ein Garmin Zumo 220. Den Hauptteil des Tages werde ich es in einem großen Maßstab verwenden und mir so einen permanenten Überblick über meinen aktuellen Standort verschaffen. Zu fortgeschrittener Stunde, wird es mir laufend anzeigen, wie weit ich aktuell von der Ziellinie entfernt bin. Zu guter Letzt, starte ich mein Garmin Etrex 10 als Reisecomputer und für die detaillierte Aufzeichnung meiner Route. Der Reisecomputer hilft mir, die gefahrenen Kilometer und die restliche verfügbare Rallyezeit im Auge zu behalten. Nun nur noch das Kommunikationskit in meinen Helm mit dem Hauptnavi, meinen Handy und dem Internet (Verkehrsfunk) gekoppelt und ich bin bereit an die Startlinie zu rollen.
Ein paar Minuten muss ich noch warten. Ein Fahrer wird vor mir gestartet. Dann ist es endlich soweit. Die Frage nach meiner Startnummer kann ich natürlich nicht beantworten. Hätte ich mir die vielleicht doch merken sollen? Das kleine Problem lässt sich jedoch leicht beheben.
Der Rallyemaster und ein Mitglied des Organisationsteams notieren meinen Kilometerstand und händigen mir noch Dokumente aus, auf denen noch zwei „Last Minute Bonuspunkte“ beschrieben werden.
Zum einen erhält man 5000 Punkte, wenn man zwischen 05:30 Uhr und dem Ende der persönlichen Rallyezeit ein Foto mit einem Mitarbeiter des Hotels vor dem Hoteleingang macht.
Zum anderen erhält man 500 Bonuspunkte für jedes Wildtier(Hirsche, Rehe, Wildschweine, usw.), dass man unterwegs in freier Wildbahn fotografiert. Da das allerdings bedeutet, dass für ein solches Foto ein Tier, womöglich noch nachts (!) meinen Fahrweg kreuzen muss, kann ich auf diese Art der Bonuspunkte dankend verzichten.
Meine offizielle Startzeit wird auf 07:04 Uhr festgelegt. Und schon bin ich raus aus dem Parkplatz und auf dem Weg zu meiner ersten Bonuslocation.
Ein Gedenkstein in Molln (AU) mit einer Maultrommel darauf. 29 Kilometer vom Start entfernt. Eine Strecke, die laut Navi in einer halben Stunde zu bewältigen ist. 24 Stunden anfahrbar (wie übrigens alle Punkte, die ich festgelegt habe). Wenn man es schafft vor Ort eine Maultrommel zu kaufen, erhält man zusätzlich 1.500 Punkte. Der Gedenkstein ist schnell gefunden und ebenso wie die zugehörige Maultrommel Werkstatt in dem kleinen Ort. Ein anderer Fahrer steht bereits vor der verschlossenen Tür der Werkstatt. Wenn man den Klingelschildern Glauben schenken darf, wohnt der Besitzer im gleichen Haus. Nach kurzem Austausch beschließen wir, dass der Zweck die Mittel heiligt, und dass man für 1.500 Punkte ohne Bedenken an einem Samstagmorgen um 07:30 Uhr an einer fremden Haustür klingeln kann. Als wir uns schon wieder abwenden wollen, öffnet doch noch ein älterer Herr die Tür. Er zeigt sich ob unseres Anliegens zwar etwas überrascht, die Aussicht, dass im Laufe des Tages aber evtl. noch viele andere Motorradfahrer kommen werden , lässt ihn die frühe Stunde erst einmal vergessen und seinen kleinen Laden öffnen. Gerne würde er uns mehr über die Geschichte der Maultrommel erzählen, hat aber zum Glück Verständnis für unsere Situation. Für 5€ gehört eine Maultrommel mir. Jetzt fehlt nur noch das Foto vom Gedenkstein. Die paar Meter sind schnell zurück gefahren.
Um mir die 350 Punkte für den Besuch des Gedenksteins zu sichern, muss ich lt. Rallyebook ein Foto machen, auf dem der Stein und meine Rallyefahne gut zu sehen sind. Im Anschluss muss mein aktueller Kilometerstand, die Bonuslocation und die dafür erworbene Punktzahl schriftlich dokumentiert werden. Eine Prozedur, die sich heute in leicht abgewandelter Form ein ums andere Mal wiederholen wird. Die ersten 1.850 Punkte sind somit mein.
Der nächste Punkt ist ebenfalls mit einem kleinen Einkaufserlebnis verbunden. Die Gegend um Trattenbach (AU) ist bekannt für die Herstellung von kleinen einfachen Taschenmessern. Ich persönlich habe zwar noch nie etwas von diesen so genannten „Feitl“ gehört, aber das muss nichts bedeuten. 450 Punkte für ein Foto einer Skulptur mit einem übergroßen Feitl und weitere 1.500 für den Erwerb eines solchen Messers sind für mich Grund genug den kleinen Ort anzufahren. 24 Kilometer liegen zwischen „Maultrommel“ und „Taschenmesser“. Ein Katzensprung sozusagen…
Die Taschenmesserskulptur und die Touristeninformation befinden sich unmittelbar am Ortseingang. Vor der Touristeninformation stehen bereits zwei Motorräder und zwei Fahrer, bewaffnet mit je einem Taschenmesser nebst zugehöriger Quittung, kommen bereits wieder heraus. Hier bin ich offensichtlich richtig. Nachdem ich auch für 4 Euro unter die „Waffenbesitzer“ gegangen bin, mache ich noch schnell ein Foto von dem riesigen Taschenmesser und bin wieder um 1.950 Punkte reicher.
In den nächsten Stunden folgt Bonuslocation auf Bonuslocation:
· Eine Skulptur in Losenstein(AU) für 300 Punkte
· Das Denkmal eines Flössers in Weyer (AU) für 550 Punkte
· Ein Meridianstein in Unteramt (AU) für 350 Punkte
o Das Denkmal ist nur über eine kleine Versorgungsstraße zu erreichen und eigentlich schnell gefunden. Was mir hier allerdings fast zum Verhängnis wird, sind die letzten 50 Meter bis zur eigentlichen Skulptur. Diese 50 Meter bestehen aus einem steilen, schmalen Stück geschotterten Weg. Als ich merke, dass der Weg nicht besser wird, beschließe ich frühzeitig zu wenden und die letzten Meter lieber zu Fuß zurück zulegen. Das Wenden mit der voll beladenen Maschine auf abschüssiger geschotteter Straße wird mir fast zum Verhängnis. Das würde noch fehlen, hier jetzt mit dem Motorrad umzukippen. Schweißgebadet gelingt mir das Kunststück aber doch noch und ich kann das Foto, und damit die Punkte, zu Fuß einholen. Allerdings kostet so etwas Zeit und Zeit ist auf einer Rallye kostbar…
· Ein weitere Meridianstein in Haberg (AU) für ebenfalls 350 Punkte
o Hier treffe ich am Vormittag zum letzten Mal zwei andere Teilnehmer der Rallye.
· Ein Sternenkreis in Haberg (AU)
o Auch diese Bonuslocation liegt wieder am Ende einer kleinen Versorgungsstraße. Vor dem Denkmal haben sich auf einer Wiese offenbar mehrere Familien zu einem Picknick zusammengefunden. Neugierig beobachten sie, wie ich mit Hilfe von Klebeband meine Rallyefahne an der Skulptur befestige und mein Foto mache. Allerdings bin ich die irritierten Blicke, die man als Teilnehmer einer Rallye erntet mittlerweile gewohnt und ignoriere die fragenden Gesichter so gut wie es irgendwie geht.
· Das Haubiversum in Petztenkirchen (AU) für 350 Punkte
o Was auch immer ein „Haubiversum“ sein mag…
· Eine Venus in Willendorf (AU) für 4.500 Punkte
o Die Venus hat eine relativ hohe Punktzahl, weil sie nicht direkt angefahren werden kann und nur über einen ca. 200 Meter langen Fußweg zu erreichen ist. Pünktlich als ich am Einstieg des Weges ankomme, fängt es leicht an zu regnen. Nun gut. Eine so hohe Punktzahl will natürlich auch verdient werden. Bis ich bei der Venus angekommen bin, hat es zum Glück schon wieder aufgehört.
Ich habe mir bei einem IBA Mitglied aus den USA im Internet einen kleinen Trick zum Thema „Rallyefahne“ abgeschaut. Am Reisverschluss der linken Seitentasche meines Tankrucksacks habe ich ein grellgrünes Lanyard befestigt. Während der Fahrt verschwindet es in der Seitentasche. Ist aber die Rallyefahne draußen, ist auch das Layard draußen. Würde ich losfahren und das grüne Band flattert an meiner Seite, weiß ich, dass ich meine Rallyefahne vergessen habe.
Heute wird mir dieser Trick zum ersten Mal helfen. Da ich auf dem Foto mit der Venus ebenfalls abgebildet sein muss, habe ich meine Rallyefahne wieder einmal mit Klebeband an der Skulptur befestigt. Das benötigte Foto mach ich mit Hilfe einer Selfi-Stange. Da es mittlerweile Mittag ist, versuche ich auf Hin- und Rückweg zu der Dame auch Kekse und Schocklode zu essen. Anscheinend doch alles ein bisschen viel auf einmal! Als ich jedenfalls wieder an meinem Motorrad ankomme, erinnert mich die das grellgrüne Band daran, dass meine Rallyefahne noch immer am Bauch der Venus klebt! So eine Sch…!! Also alles zurück auf Anfang und wieder die 200 Meter zur Venus zurück. Wenigstens hängt die Fahne noch an der bekannten Stelle. Das hat viel Zeit gekostet und ich bin zum zweiten Mal am heutigen Tag nassgeschwitzt. Die gerade zur mir genommenen Keks- und Schokoladen Kalorien dürfte ich nach diesem Zwischenspurt zudem auch wieder los sein….
· Eine Nase in St. Lorenz (AU) für 550 Punkte
o Die „Nase“ in St. Lorenz ist nur knapp 4 Kilometer von der „Venus“ in Willendorf entfernt. Also eigentlich nur ein Katzensprung. Das Problem ist nur, dass die Donau zwischen den beiden Orten fließt und eine Brücke weit und breit nicht in Sicht ist. Zum Glück gibt es allerdings in unmittelbarer Nähe der Venus eine kleine Autofähre. Die Fähre ist schnell gefunden und befindet sich bereits auf dem Rückweg von der anderen Uferseite. Die Skulptur einer „Nase“ liegt in direkter Nähe des anderen Ufers und ist von meiner Position aus bereits zu sehen.
Die Überfahrt wird mich Hin- und zurück eine gute halbe Stunde kosten. Allerdings kann ich so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zum einen hole ich mir die 550 Punkte für die Nasen Skulptur und zum anderen 30 zusätzlich Punkte für jede Minute zusätzliche Pause, die über eine halbe Stunde hinausgeht. Also löse ich eine Einzelfahrt für die Hinreise, mache schnell mein Foto am gegenüberliegenden Ufer, und fahre sofort im Anschluss mit der nächsten Fähre wieder zurück. Dabei löse ich die nächste Einzelfahrt und habe nun aufgrund von zwei Quittungen mit gleichem Datum und unterschiedlichen Uhrzeiten 900 Punkte extra kassiert.
· Eine Statue von Falco in Gars (AU) für 450 Punkte
o Wenn einer in Österreich nicht fehlen darf, ist das Falko. Seine Statue steht allerdings mitten im Kurpark von Gars. Mit dem Motorrad traue ich mich dort bei aller Verwegenheit nicht hinein. Der Park ist allerdings so übersichtlich, dass das Selfi von mir und dem King des Austro Pop in seiner Wahlheimat nach einem kurzen Fußmarsch schnell erledigt ist.
· Eine Windmühle in Retz (AU) für 950 Punkte
· Ein Grenzübergangschild in Novy Prerov (CZ) für 650 Punkte
o Ein interessanter Punkt, den ich am späten Nachmittag erreiche. Mitten im Nirgendwo, nur über eine geschotterte Piste zu erreichen, verläuft die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien. Mein Navi hat hier massive Schwierigkeiten, mich zu den vorgesehenen Koordinaten zu führen und es kostet mich einige Zeit und Umwege, bevor ich das Schild endlich finde.
· Eine Aussichtswarte in Grosskrut (AU)
o Nur über ein unspektakuläres Stück Feldweg zu erreichen. Trotz der kleinen Offroad Einlage ein leicht zu erreichender Punkt.
· „Sende zwischen 1900 Uhr und 1915 Uhr eine SMS an den Rallyemaster und erhalte dafür 2.500 Punkte“
o Leicht einzusammelnde Punkte, wenn man denn daran denkt und beim Text der SMS keinen Fehler macht.
§ „Sende eine SMS an den Rallyemaster: Deine Fahrer-Nummer, Kürzel des zuletzt besuchten Bonus, Kürzel des nächsten Bonus“
o Ich habe beides geschafft: An die SMS zu denken und den Text richtig zu schreiben. Und schon bin ich wieder um einige Punkte reicher.
· Drei Grazien in Lednice (CZ) für 750 Punkte
o Die Statue der 3 Grazien erreiche ich gegen 19:30 Uhr. Um zu den Damen zu gelangen, muss man die eh schon einsam gelegene Landstraße verlassen und in einen kleinen Nebenweg einbiegen, der mitten durch einen dichten Wald führt. Ganz schön gruselig, wenn es dabei noch langsam dunkel wird und kein Mensch weit und breit zu sehen ist. Aber was macht man nicht alles für 750 Punkte…
Langsam wird es Zeit für die vorgeschriebene Pause von mindestens 60 Minuten. Auch diese muss wieder mit der Hilfe von maschinengedruckten Belegen bewiesen werden. Es fällt mir etwas schwer gegen 2000 Uhr eine geöffnete und passable Tankstelle im Grenzgebiet zwischen Tschechien und Österreich zu finden. Eine mögliche Tankstelle in Tschechien mit angeschlossenem Bordellbetrieb scheidet aus. Das ist vielleicht doch eine etwas unruhige Gegend. Die nächste Tankstelle die ich in Österreich besuche hat bereits geschlossen.
Nach etwas Sucherei und mit Hilfe der POIs meines Navis finde ich schließlich in dem kleinen Ort Podivin (CZ) eine wirklich kleine Tankstelle. An der Tankstelle arbeitet nur ein junges Mädchen von maximal 18 Jahren, die kein Wort in einer anderen Sprache als Tschechisch versteht. Folglich ist ihr die Irritierung anzusehen, warum ich zwar tanke, aber nicht weiterfahre. Irgendwie verständlich. Es ist mittlerweile dunkel, eine Tankstelle mitten im Nichts und ein Typ mit einem Motorrad, der keine Anstalten macht weiter zu fahren.
Es dauert daher nicht lange, bis zwei junge Tschechen in einem Auto auftauchen und fragen, ob sie mir „irgendwie helfen“ können. Na Bravo! Das hat mir heute auch noch gefehlt…
Aber einer der beiden spricht sehr gut Englisch und versteht ganz schnell, warum ich mich im Dunkel bei seiner Freundin herumtreibe. Nachdem er sich ausgiebig bei mir über die Iron Butt Association informiert und seiner Freundin erklärt hat, was ich da mache, sind die beiden wieder verschwunden. Mir bleiben noch weitere 30 Minuten, bevor ich mich wieder auf die Piste machen kann. Aber immerhin schaut mein weiblicher Tankwart jetzt wesentlich entspannter.
Nach Ablauf der Frist, kaufe ich zwei Flaschen Wasser und erhalte dafür den ersehnten Kreditkartenbeleg. Freundlich verabschiede ich mich und schon bin ich wieder unterwegs.
Mittlerweile ist es stockdunkel geworden und jetzt kommt der Teil der Rallye, der mir am wenigsten liegt. Meine „Motorrad Nachtfahr Eigenschaften“ sind immer noch um einiges verbesserungswürdig. Zwar fahre ich mit zwei Zusatzscheinwerfern, die auch an der Enterprise montiert sein könnten und tausche meine normalen Brillengläser gegen gelbe Nachtfahrgläser aus, aber naja…Schön ist eben anders….
Als nächstes Ziel steht ein Leuchtturm in Tschechien auf meiner Liste. Die Entfernung von meinem jetzigen Standort beträgt ca. 40 Kilometer, die über eine Schnellstraße zurückgelegt werden müssen. „Schnellstraße“ trifft es genau richtig. Nach Einbruch der Dunkelheit bricht bei einigen Autofahrern mal wieder das „Rennfahrer Fieber“ aus. Verkehrsregeln sind nur noch grobe Orientierungshilfen und bei Überholmanövern gilt das Recht des Stärkeren. Zudem behauptet mein Navi, dass der Leuchtturm sich mitten auf besagter Schnellstraße befindet. Also nehme ich die nächste Abfahrt und befrage einen Passanten nach dem anderen, wo sich in der Umgebung denn das gesuchte Objekt befindet. Die Suche scheitert entweder an der Unwissenheit der Befragten oder an einer gemeinsamen Sprache. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als diesen Punkt liegen zu lassen und, anstatt hier noch mehr Zeit zu vergeuden, mich auf den Weg zur nächsten Bonus Location zu machen...
Das nächste Ziel ist eine Radfahrer Statue in Uherske Hradiste in Tschechien in ungefähr 39 Kilometer Entfernung. Kaum ist die Stadt erreicht, bemerke ich recht schnell, dass ich mich hier nicht wohl fühle. Die Stadt ist überlaufen mit Jugendlichen, von denen die wenigsten unter 2 Promille haben dürften. Na wunderbar! Wenn mir etwas fehlt, ist es hier von meinem Motorrad abzusteigen und Bilder von einer Statue zu machen. Aber soweit kommt es erst gar nicht. Zum zweiten Mal habe ich das Pech, die Bonus Location trotz der in meinen Navi gespeicherten GPX Daten nicht zu finden. Da helfen auch keine 3 Runden um den angeblichen Zielpunkt. Fragen möchte ich von den „Spriteulen“ in der Stadt niemand. Also ist auch dieser Bonus Punkt futsch. Das läuft heute Nacht ja wirklich klasse! Am Stadtrand halte ich an einem Busbahnhof um die Karte zu studieren und mich über meinen nächsten geplanten Stopp zu informieren. Allerdings bin ich kaum von meinem Motorrad abgestiegen, hält auch schon ein Streifenwagen neben mir und ich bekomme gestenreich und unmissverständlich erklärt, dass ich hier nicht zu parken habe. Ach lasst mir doch einfach meine Ruhe! Es ist mittlerweile gegen 0100 Uhr ich werde langsam müde und warm fühlt sich auch irgendwie anders an. Aber es hilft nichts. Also rauf auf das Motorrad und ab geht es Richtung „Franzosen Denkmal“ in der Slowakai. Die Entfernung beträgt ungefähr 150 Kilometer, die wieder über eine Schnellstraße hinter sich gebracht werden wollen. Diese Bonus Location muss ich unbedingt mitnehmen, wenn ich eine akzeptable Platzierung erreichen will. Schließlich ist das Franzosen Denmal 10.500 Punkte wert. Hinzu kommen 1500 Punkte, wenn man alle Stufen zum Denkmal zählt.
Nach ca. einer Stunde Fahrt brauche ich eine kurze Pause. Die Müdigkeit wird langsam zu meinem ärgsten Feind. Einmal mehr wird mir bewusst, dass 36 Stunden Rallye Formate eher meinem Bio-Rhythmus entsprechen. Nach 18 Stunden Fahrt kann man hier für ein paar Stunden in ein Motel einchecken und sich eine Mütze voll Schlaf gönnen. Die Pause nutzte ich nicht nur um eine Kleinigkeit zu essen, sondern auch, um kurz meinen aktuellen Standort, die Entfernung zum Franzosen Denkmal und die Entfernung zur Ziellinie, sprich zum Rallye Hotel zu checken. Was ich hier berechne gefällt mir ganz und gar nicht. Ich habe noch ungefähr 75 Kilometer bis zur Bonus Location und von dort aus gute 500 Kilometer bis ins Ziel. Falls ich das Denkmal nicht sofort finde, bleibt mir für die Suche und das Zählen der Treppenstufen ein Puffer von 10 Minuten! Und dabei „pfeife ich jetzt schon auf dem letzten Loch“! Was also tun? Versuchen das Denkmal und die damit verbundenen Bonuspunkte mitzunehmen? Dadurch aber zu riskieren, zu spät ins Ziel zu kommen und disqualifiziert zu werden? Oder auf Nummer Sicher zu gehen und jetzt gemütlich gute 400 Kilometer Richtung Rallye Hotel abzuspulen. Die Entscheidung trifft letztendlich nicht die Überlegung um Bonuspunkte, sondern meine Müdigkeit. Sicherheit geht definitiv vor Platzierung! Ich ziehe mir einen weiteren Pullover an, gratuliere mir zu meiner „erwachsenen Entscheidung“, verfluche mein Schlafbedürfnis und drehe um.
Die nächsten Stunden sind unspektakulär. Aber die Quälerei auf den letzten 100 Kilometern und die benötigten Pausen zeigt mir, dass meine Entscheidung richtig war.
Durchgefroren und kaputt erreiche ich im Morgengrauen das Rallye Hotel. Bedingt durch meine Entscheidung auf jeden Fall innerhalb der vorgegebenen 24 Stunden.
Bevor ich mich beim Rallye Master zurück melde, und damit auch offiziell über die Ziellinie gefahren bin, suche ich noch schnell eine Mitarbeiterin des Hotels, damit diese vor dem Hoteleingang ein gemeinsames Foto mit mir und meiner Rallye Fahne macht. Zum Glück sind schon genügend Hotel Angestellte im Einsatz, um das Frühstück vorzubereiten. Ein anderer Rallye Teilnehmer ist so nett und macht das Foto. Somit sind die letzten 5.000 Punkte der German Butt Rallye eingefahren.
Viel Zeit in die anschließende Dokumentation der Bonus Punkte muss ich nicht investieren, da ich meinen „Papierkrieg“ größtenteils schon unterwegs erledigt habe. Nach dem ich meine Dokumentation beim Rallyemaster abgegeben habe, gehe ich erst einmal direkt zum Frühstück. Mein Magen hängt mittlerweile tiefer als meine Kniekehlen.
Nach dem Frühstück beginnt das Warten auf die Siegerehrung. Das Warten wird unter den Teilnehmern natürlich genutzt, um Erlebnisse und Rallye Anekdoten auszutauschen.
In der Mittagszeit ist es dann endlich so weit. Viel länger hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten. Mein Bett ruft und langsam aber sicher fallen mir die Augen zu.
Letztendlich hat es bei mir für Platz 33 gereicht. Ein wenig enttäuscht bin ich schon. Ich hatte mir mehr vorgenommen, aber meine schlechten Nachtfahrqualitäten haben mir mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber eigentlich spielt das keine Rolle. Ich hatte jede Menge Spaß und bin in einem Stück über die Ziellinie gerollt. Was will man mehr?
Und jetzt ab ins Bett. Für das gemeinsame Abendessen will ich schließlich wieder fit sein.
Nach ein paar Stunden Schlaf und einer heißen Dusche bin ich wieder voll oben auf. Da sieht man doch, wie wichtig ausreichend Schlaf ist. Jetzt fehlt mir nur noch ein warmes Abendessen.
Und das folgt nun mehr als reichlich. Bei dem einen oder anderen Bier klingt die letzte Rallye in diesem Jahr leider aus.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen, mache ich mich auf den knapp 500 Kilometer langen Heimweg.
Eins ist auf jeden Fall sicher….Bei der nächsten German Butt Rallye in 2019 bin ich wieder dabei…