Magic 12 Rallye Mecklenburg-Vorpommern 2023

23 Ostsee-Häfen innerhalb von 12 Stunden in Mecklenburg-Vorpommern besuchen. Als Beweis, dass ich tatsächlich da war, jeweils ein Foto von einem vorgegebenen Motiv.  Im Anschluss noch die Strecke zum Zielhotel. Alles in allem gute 600 Kilometer. Fast ausschließlich Landstraße, alte Kolonnen-Straßen aus DDR Zeiten und unbefestigte Wege. Dafür zusätzlich zu den Wertungspunkten der einzelnen Häfen, sage und schreibe 10.000 Extrapunkte für das Anfahren aller 23 Häfen. Dazu noch mal auf die Schnelle 12.000 Extrapunkte, wenn man nachmittags eine kurze nachweisbare Pause von 30 Minuten einlegt.  Gibt es unter den 28 Startern der Magic 12 Rallye 2023 auch nur einen einzigen Teilnehmer, welcher der Meinung ist, dass dies unter den dutzenden Varianten die für eine gute Platzierung zur Verfügung stehen, eine erfolgversprechende Lösung sein kann?  Ja! Es gibt ihn! Mich!

 

Um eins vorweg zu nehmen, bevor ich eingehender von meinem Rallye Wochenende berichte, diese erfolgversprechende, einmalige Routenplanung hat mir problemlos am Ende den letzten Platz eingebracht…. Und warum? Ganz einfach. Weil so ein Wahnsinnsritt überhaupt nicht zu realisieren ist!  Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer, oder?

 

Das ganze Drama nimmt seinen Anfang Freitag Morgens um 08:00 in meinem Heimatort im Taunus. Tagsüber ist kein Regen angesagt und die 850 Kilometer lange Anreise nach Kamminke auf Usedom sollte bei voraussichtlichen 15 Grad gemütlich auf der Autobahn abzuspulen sein. Kamminke ist ein kleinen Hafendorf an der Ostsee und gleichzeitig der erste der 23 anzufahrenden Häfen. Hier werde ich die erste Nacht verbringen, bevor ich am Samstagmorgen um 05:00 Uhr in die Rallye einsteige. 

 

Die Autobahnkilometer sind bis auf einige Unfälle vor mir, die mich allerdings kaum Zeit kosten unspektakulär. Es ist nur schade, dass ich von dem Auto mit einer Katze auf dem Beifahrersitz kein Foto machen konnte. Meine Mittagspause verbringe ich bei Subways. Übrigens zum letzten mal. Das nicht wirklich leckere Sandwich wird mich bis in die Abendstunden immer wieder daran erinnern.  Bis ich in die Nähe von Mecklenburg Vorpommern komme, hält das trockene und relativ warme Wetter an. Dann ändert es sich allerdings schlagartig. Die Temperatur sinkt in einen unangenehmen Bereich und zwingt mich einen zusätzlichen Pullover unter meine Motorradjacke zu ziehen. Der Wind bläst auf den letzten 40 Kilometern Landstraße so stark, dass ich das Gefühl habe, in permanenter Schräglage zu fahren. Kleinere Regenschauer zwischendurch machen das Ganze nicht wirklich gemütlicher.

 

Gegen 17:30 Uhr komme ich am Vorabend der Rallye in Kamminke an. Die Pension, in der ich die Nacht verbringen werde, habe ich bereits von zu Hause aus gebucht. Das Haus erinnert an ein Motel in den USA. Jedes Zimmer hat einen eigenen ebenerdigen Eingang und ich kann mein Motorrad direkt davor parken. Allerdings ist der Parkplatz eine triefend nasse Wiese. Zum Glück habe ich für solche Fälle immer eine Holzplatte in der Größe einer DVD dabei. So kann ich mein Motorrad auf den Seitenständer stellen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Maschine im weichen Boden einsackt und umfällt. Ich kann Euch nur raten, so eine Platte immer im Top Case dabei zu haben. Aufgrund der Abseits gelegenen Lage meines Zimmers werde ich, wenn ich mich morgen um 04:45 Uhr das Hotel wieder verlasse, um in die Rallye einzusteigen, niemanden stören.

Nach einer ausgiebigen Dusche gönne ich mir ein leckeres Abendessen im zur Pension zugehörigen Restaurant. Anschließend nutze ich die Gelegenheit um mir nach der langen Anreise die Füße zu vertreten und um im Hafen die Statue zu suchen, die ich morgen früh als ersten Bonuspunkt ansteuern werden.

 

Ich warte nur noch die Mail ab, die mir meine Startnummer mitteilt. Die Startnummer male ich mit einem dicken Filzstift auf meine bereits zu Hause ausgedruckte Blanko Rallyefahne. Jetzt habe ich alles, was ich für die morgige Rallye benötige. Nun muss ich nur noch so viel Schlaf wie möglich bekommen. Morgen liegt ein langer Tag vor mir.

 

Wie funktioniert eigentlich so eine Magic 12 Rallye der Iron Butt Association?

Ziel der von der Iron Butt Association Benelux organisierten Rallye ist es, innerhalb von 12 Stunden möglichst viele Bonus-Location zu besuchen. Jeder Fahrer erhält ein Rallye Book, das die möglichen Zielorte in schriftlicher Form enthält, sowie eine .gpx Datei mit den zugehörigen Koordinaten. Die einzelnen  Bonus-Location haben unterschiedliche Wertigkeiten. Es stehen dabei mehr Ziele zur Verfügung, als in der vorgegebenen Zeit angefahren werden können. Die Teilnehmer müssen daher eine eigene Route planen, auf der möglichst viele hochwertige Bonus-Location besucht werden. Zusätzlich gibt es Sonderpunkte für den Besuch von vorgegeben Kombinationen. Als Beweis, dass man tatsächlich dort war, muss vor Ort ein Foto gemacht werden, auf dem die Rallye Fahne des Teilnehmers deutlich zu sehen ist. In der Durchführung hat die Magic 12 Rallye eine Besonderheit.  Bei anderen Rallye Formaten treffen sich die Teilnehmer am Vorabend der Rallye in einem Hotel  und erhalten das Rallye Book und die zugehörige .gpx Datei  nach dem Abendessen. Jeder Starter zieht sich im Anschluss auf sein Zimmer zurück und plant seine Route. Dafür hat er theoretisch bis zum Start um 06:00 Uhr am nächsten Morgen Zeit.  Bei der Magic 12 Rallye erhalten die Fahrer das Rallye Book und die .gpx Datei bereits 6 Tage vor dem eigentlichen Start per E-Mail und können fast eine Woche lang planen.  Den Startort der Rallye wählt jeder Teilnehmer dabei für dich selbst. 

 

Um 04:00 klingelt mein Wecker. Wie immer viel zu früh. Zum Glück hat mich das Adrenalin in der Nacht nicht zu lange wach gehalten und ich habe somit ausreichend Schlaf bekommen.

Draußen regnet es noch nicht. Aber es wäre ein Wunschtraum auch nur zu hoffen, dass es heute trocken bleibt. Um 05:00 Uhr soll es anfangen zu regnen und dann die nächsten 12 Stunden auch nicht mehr aufhören.

 

Leise packe ich meine Sachen zusammen, ziehe mich warm an und verlade sie auf meinem Motorrad.  Es ist 04:40 Uhr als ich den Parkplatz meiner Unterkunft verlasse. Was ich jetzt brauche ist eine Tankstelle und eine Quittung mit Datum, Anschrift und einer aufgedruckten Uhrzeit, die nicht früher als 05:00 Uhr betragen darf. Ein Foto dieser Quittung, auf die ich meine Startnummer geschrieben habe und auf welcher der Kilometerstand meines Motorrads zu sehen ist, bilden den Startschuss meiner Teilnahme an der M12 2023.

 

Die nächste Tankstelle liegt kurz hinter der Grenze in Polen. Ungefähr 10 Fahrminuten entfernt. Ich bin also perfekt in meinem Zeitplan. Schade, dass es auf der deutschen Seite in der näheren Umgebung keine Tankstelle gibt. Für einen passenden Tankbeleg zum Start der Rallye hätte ich ohne weiteres Zutun 750 Extra Bonuspunkte bekommen. Wenigstens finde ich die geplante Tankstelle in Polen sofort und will gleich mit dem Tanken beginnen. Im Zweifelsfall frage ich den Tankwart, welche Uhrzeit seine Kasse anzeigt und warte, wenn Nötig einen Moment mit dem Bezahlen.

 

Als ich den  Zapfhahn in den Tank meiner Kawasaki stecke passiert zu meinem Erschrecken nichts. Es beginnt kein Benzin zu fließen und die Anzeige an der Tankuhr bewegt sich keinen Millimeter. Der junge Mann im Kassenhäuschen sieht zwar meine Ratlosigkeit, signalisiert mir durch demonstrative Untätigkeit allerdings sehr deutlich, dass ihm mein Problem herzlich egal Ist. Auch als ich sein Kassenhäuschen betrete ignoriert er mich so gut er kann.  Es ist zum verrückt werden. Es ist bereits nach 05:00 Uhr und mein Plan der 23 Häfen kann nur funktionieren, wenn ich unterwegs nicht zu viel Zeit verliere. Wegen diesem Dödel von Tankwart habe ich allerdings bereits die ersten 5 Minuten verloren. Als er allerdings bemerkt, dass ich nicht in der Stimmung für polnische Tankspiele bin und ich in weniger als 1 Minute anfangen werde seine nachgemachten amerikanischen Zigaretten im Verkaufsregal abzufackeln, zeigt er stumm auf das Kreditkarten Lesegerät. Aha! Man muss in Polen offensichtlich zuerst die Kreditkarte einlesen und kann dann anfangen zu tanken. Ich stecke also meine Karte in das Gerät, bekomme einen Kreditkartenabrechnungsbeleg über einen Zloty und schon kann das tanken beginnen.

Kaum weiß man, wie es funktioniert, klappt es auch schon.

 

Da auf dem Kreditkartenabrechnungsbeleg die Anschrift der Tankstelle  und die Uhrzeit stehen, mache ich schnell mein Foto mit Startnummer und Kilometerstand und mache ich auf den Rückweg nach Kamminke. Schließlich steht dort die erste Figur im Hafen, die es zu fotografieren gilt. Da ich ja am Vorabend mich schon über den genauen Standort der Fischerfigur informiert hatte, ist zumindest der erste Bonuspunkt innerhalb kürzester Zeit im Kasten. Ich muss nur mir meiner Handykamera ein Foto machen und schicke dies mit einer Mail unter Angabe meiner Starternummer, der Nummer der Bonuslocation, meinem Kilometerstand und der Uhrzeit per E-Mail an den Rallyemaster.

 

Dann schaue ich kurz in meinen Ablaufplan und mache mich auf den Weg zum nächsten Bonuspunkt. Die zugehörigen Koordinaten habe ich bereits alle auf meinem Navi gespeichert. So muss ich nur so wenig Zeit wie unbedingt möglich aufwenden, um von Bonus Location zu Bonus Location zu kommen. 

 

Ach ja…Das hatte ich ja fast vergessen zu erwähnen. Natürlich hat es pünktlich um  05:00 Uhr angefangen zu regnen. Die Außentemperatur beträgt 3 Grad Celsius und der Wind bläst kräftig vom Meer aufs Land. Na dann…Gute Fahrt!      

 

Um es kurz zu machen…Schon nach wenigen Stunden wird mir klar, dass mein Plan nicht aufgehen wird. Zwar finde ich die ersten von mir geplanten Bonuspunkte aufgrund der sehr gut vom Rallyemaster geplanten GPX Daten völlig problemlos, habe aber bei vielen Punkten damit zu kämpfen, dass sie entweder nur über zeitraubende ehemalige Kollonenstraßen aus DDR Beständen oder über nasse und aufgeweichte unbefestigte Straßen zu erreichen sind. Auf Usedom hält sich dieses zeitraubende Phänomen noch in Grenzen, auf Rügen wird es zur Plage und zerstört all meine Planung.

 

Zumindest habe ich bei der ersten  vorgeschriebenen Zwangspause Glück. Ich möchte die Pause, deren Aufenthalt ich mit einer Start- und End Quittung belegen muss, an einer Tankstelle verbringen. Und tatsächlich taucht zu Beginn des vorgegebenen Zeitfensters tatsächlich im Regen, einer Oase gleich, eine Tankstelle vor mir auf. Es muss ja auch einmal etwas funktionieren! Heißer Kaffee! Die letzte Stunde kreisen meine Gedanken um nichts anderes. Ich bin dank meines Regenmantels zwar trocken, aber doch ziemlich durchgefroren. Die halbe Stunde Pause tut gut, darf aber auch nicht länger dauern, dann muss ich dank meiner  straffen Planung wieder auf die Straße zurück.

 

Um 14:30 Uhr gebe ich meinen ursprünglichen Plan endgültig auf. Wenn ich die restlichen Bonuspunkte noch komplett abarbeiten möchte, bräuchte ich noch ca. 3 Stunden. Die habe ich allerdings nicht, da ich vom letzten Bonuspunkt auch noch ca. 2 Stunden bis ins Zielhotel zurücklegen muss.  Also breche ich an dieser Stelle ab und mache mich auf den Weg zum Hotel.  Und da lauert auch schon das nächste Problem auf mich. Von meiner jetzigen Position aus dauert der Weg ins Hotel 2,25 Stunden. Ich bekomme allerdings nur 12000 Extrapunkte, wenn ich eine weitere, ebenfalls über Quittungen belegte Pause einlege. Keine Chance. Dann würde ich erst um 17:15 Uhr im Hotel ankommen. Für jede Minute, die ich nach 17:00 Uhr im Hotel erscheine, werden mir 1000 Punkte in Abzug gebracht.  Selbst wenn ich nicht noch länger als die geplanten 2 Stunden und 15 Minuten brauche, verliere ich mit der zusätzlichen Pause mindestens 3000 Punkte.

 

Über eins muss ich mir auf jeden Fall keine Illusionen machen. Mein nicht aufgegangener Plan garantiert mir bei dieser Rallye auf jeden Fall den letzten Platz.

Die Fahrt zum Hotel verläuft unspektakulär. Zumindest schaffe ich es pünktlich ins Ziel. Das Rallye Organisationsteam erwartet mich bereits auf dem Parkplatz. Hier wird die Uhrzeit meiner Ankunft und mein Kilometerstand penibel notiert.

 

Direkt im Anschluss mache ich mich auf den Weg zum Scoring. Unterwegs dorthin frage ich einige andere Teilnehmer der Rallye, ob noch jemand versucht hat, die Bonuskombination mit 23 Inseln und Häfen zu fahren. Da ich von allen Seiten nur auf ungläubige Gesichter und belustigte Antworten stoße und mir jedermann bestätigt, dass diese Strecke innerhalb von 12 Stunden doch gar nicht realisierbar ist, wird mir definitiv klar, dass ich diese Rallye voll und ganz in den Sand gesetzt habe. Erinnert mich irgendwie stark an meine 35 Jahre zurückliegende mündliche Prüfung in Buchhaltung…

 

Es hilft alles nichts. Vor dem Abendessen erfolgt die Siegerehrung. Bevor der letzte Platz aufgerufen wird, mache ich mich schon mal auf den Weg nach vorne. Das verkürzt meinen Walk of Shame wenigstes etwas…

 

Aber es folgt ein schöner Abend, mit einem leckeren Buffet und dem ein oder anderen Glas Bier. Allzu lang lasse ich es an diesem Abend allerdings doch nicht werden. Immerhin liegen morgen wieder 700 Kilometer Autobahn für den Heimweg vor mir.

 

Am  nächsten Morgen eröffne ich das auswahlreiche Frühstücksbuffet um 06:30 Uhr als erster. Ich möchte nicht zu spät nach Hause kommen und will das Hotel früh verlassen.

Auf dem Parkplatz vor dem Hotel erwartet mich die gewohnte Kälte und der obligatorische Regen. Daran wird sich auch auf den folgenden Autobahnkilometern bis Kassel nichts ändern. Dann strahlt auf einmal die Sonne und ich endledige mich auf dem nächsten Rastplatz erstmal mehrerer Lagen warmer Kleidung.

 

Zuhause angekommen, erfahre ich übrigens von meiner Frau , dass im Taunus das ganze Wochenende die Sonne geschienen hat und die Temperatur die ganze Zeit um die 20 Grad lag.

Diese Nachricht in Kombination mit dem letzten Platz…

 

 

Aber egal. Die nächste Rallye wird wieder besser laufen und es wird die Sonne dabei scheinen. Ganz bestimmt.. 

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