Iron Butt Association (IBA)
Die IBA ist kein Verein im eigentlichen Sinn. Es gibt keine Mitgliedsbeiträge und keine Vereinsstatuten. Die IBA ist einfach ein Zusammenschluss von Fahrern, die sich dem Langstrecken Motorradfahren verschrieben haben. Zurzeit hat die IBA weltweit ca. 50.000 Mitglieder. Das einzige, was man tun muss um Mitglied zu werden, ist innerhalb von 24 Stunden 1.600 Kilometer mit dem Motorrad zufahren, oder 2500 Kilometer in 36 Stunden, oder einfach nur einen der anderen angebotenen Rides zu absolvieren.
Die Liste reicht dabei von den oben beschriebenen 1.600 Kilometern, bis hin zur IBA Rallye, in deren Rahmen in 11 Tagen mindestens 16.000 Kilometer gefahren werden...
Das Motto der IBA lautet. „The world is our playground“.....
Magic 12 CH Rallye
Ziel der Rallye ist es, innerhalb von 12 Stunden möglichst viele Bonuspunkte zu besuchen. Jeder Fahrer erhält ein Rallye Book, das die möglichen Bonuspunkte in schriftlicher Form enthält, sowie eine .gpx Datei mit den Koordinaten der Bonuspunkte. Die Bonuspunkte haben unterschiedliche Wertigkeiten. Es stehen mehr Bonuspunkte zur Verfügung, als in der vorgegebenen Zeit angefahren werden können. Die Teilnehmer müssen daher eine eigene Route planen, auf der möglichst viele hochwertige Bonuspunkte besucht werden. Als Beweis, dass der Bonuspunkt angefahren wurde, muss vor Ort ein Foto gemacht werden, auf dem die Rallye Fahne, mit der Startnummer des Teilnehmers deutlich zu sehen ist.
„Das blöde Ding muss doch irgendwie herunter zubekommen sein…!?!“
Es ist Freitagabend 18:00 Uhr und ich stehe ziemlich genervt an einer Tankstelle kurz vor Basel an der Schweizer Grenze...
Die Magic12 Schweiz Rallye der Iron Butt Association Germany startet am frühen Samstagmorgen. Für den Vorabend bin ich mit zwei anderen Rallye Teilnehmern in Basel verabredet. Wir wohnen im gleichen Hotel und wollen gemeinsam den Abend verbringen.
Aber zuvor muss ich erst einmal ein ganz anderes Problem lösen. Ich wollte nicht auf dem letzten Liter Benzin im Hotel ankommen und habe mich entschieden, kurz vor meinem heutigen Etappenziel noch ein paar Liter nachzuladen. Allerdings lässt mich mein neuer Tankrucksack nicht an den Tankdeckel meiner Kawasaki Versys! Der Hepco & Becker Tankrucksack wird mittels eines magnetischen Tankrings befestigt. Wie auch immer, habe ich es beim Beladen der Maschine geschafft, die Bänder zum Lösen des Tankrucksacks so unter die Magnete zu quetschen, dass ich jetzt nicht mehr an sie heran komme. Das muss man erst einmal so hinbekommen! Seit einer geschlagenen viertel Stunde stehe ich wie blöde an der Zapfsäule und zerre und ziehe vergeblich an meinem Gepäckstück. Ich überlege schon, wie ich dem ADAC am Telefon mein Problem schildern kann, ohne das mein gelber Engel seine Kollegen zusammenruft, damit sie auch etwas zu lachen haben.
Da löst sich plötzlich der Tankrucksack und gibt des Weg zum begehrten Benzinfass frei. Glück gehabt, dass hätte auch ein langer und vor allem peinlicher Abend werden können.
Mit ein paar Litern Benzin im Tank rolle ich über die Schweizer Grenze. Hier werden gründlich Pässe kontrolliert und das ein oder andere Fahrzeug wird zur eingehenden Untersuchung heraus gewunken. An mir hat man trotz geschlossenen Helm und Sturmhaube netterweise kein Interesse.
Ab jetzt fahre ich immer mit einem halben Auge auf dem Tacho. Die Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen in der Schweiz sind legendär und ich habe nicht die Absicht den Eidgenossen finanziell unter die Arme zu greifen.
Pünktlich erscheine ich im Hotel, und dem geplanten Abendessen steht nichts mehr im Wege. Das übrigens nicht nur die Strafzettel in der Schweiz den Geldbeutel schröpfen, sondern auch die Restaurants ist eine schmerzliche Tatsache, wie ich heute Abend am eigenen Budget feststelle. Für einen Cheeseburger mit frittierten Kartoffelstäbchen 26€ aufzurufen grenzt schon an modernes Raubrittertum. Zur Rettung der Schweizer Restaurant Ehre muss ich aber sagen, dass es verdammt lecker ist…
Der Abend endet früh, denn am nächsten Morgen wird auch die Rallye früh starten.
Die Rallye ist für eine Dauer von 12 Stunden angesetzt. Die Liste mit den möglichen Bonuspunkten haben die Teilnehmer schon vor einigen Tagen erhalten. Jeder Fahrer hatte also im Vorfeld genügend Zeit, seine Route in aller Ruhe zu planen. Zusätzliche Bonuspunkte können gesammelt werden, wenn zwischen zwei Zielen eine Schweizer Landesfahne fotografiert wird. Zum Beispiel an einem Haus oder in einem Schaufenster.
Die Regeln für die Rallye sehen folgende Details vor:
· Am Samstagmorgen zwischen 05:30 und 06:30 Uhr tankt jeder Teilnehmer sein Motorrad an einer beliebigen Tankstelle in der Schweiz.
· Die Quittung der Tankstelle muss aufgehoben werden.
· Der Fahrer sendet eine SMS mit dem Standort der Tankstelle an den Rallye Master und erhält daraufhin eine Antwort Nachricht mit seiner Startnummer
· Diese Startnummer trägt der Fahrer in seine Rallye Fahne ein. Der Vordruck dazu wurde gemeinsam mit der Liste der Bonuspunkte im Vorfeld verschickt.
· Nun muss man nur noch einmal in den Shop der Tankstelle zurückgehen und eine Kleinigkeit kaufen. Die Uhrzeit auf dieser Quittung markiert dann die offizielle Startzeit der Rallye. Ab diesem Zeitpunkt tickt die Uhr für 12 Stunden rückwärts und es können Punkte gesammelt werden.
Ganz so einfach gestaltet sich der Einstieg in die Rallye für mich allerdings nicht. Nachdem die Nacht um 04:30 Uhr für mich zu Ende ist und ich beim freundlichen Nachtportier eine Tasse Kaffee schnorren konnte, mache ich mich auf den Weg, zu der von mir im Vorfeld ausgesuchten Tankstelle. Keine 500 Meter von meinem Hotel entfernt ist der Benzinhändler angesiedelt. Aber…leider werden die Zapfsäulen am Samstag erst um 0800 geöffnet. So ein Mist! Das hatte ich bei meiner Planung nicht berücksichtigt. Lt. Navi befinden sich in meiner unmittelbaren Umgebung allerdings zwei weitere Tankstellen.
Das ist aber auch schon das einzig positive, was ich über die beiden Tankstellen sagen kann. Geschlossen sind sie genauso wie die Erste. Was nun? Zum Glück bin ich sehr früh los gefahren und habe noch viel Zeit bis zum spätesten Einstieg in die Rallye um 06:30 Uhr.
Ich beschließe wieder auf die Autobahn zufahren, von der ich Gestern aus Deutschland gekommen bin. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich auf der Gegenseite eine Tankstelle Richtung Grenze gesehen. Und mein Gedächtnis trügt mich nicht. Nach wenigen Kilometern sehe ich das Objekt meiner Begierde. Erleuchtet, geöffnet und mit einem angeschlossenen Shop, der auch meine zweite Quittung garantieren wird.
Kaum bin ich vom Motorrad abgestiegen, erscheinen meine Mitfahrer vom Vorabend und begrüßen mich mit einer Schimpfkanonade über die Arbeitsmoral Schweizer Tankstellenbetreiber an Wochenenden…
Aber nun ist es ja geschafft: Getankt - Startnummer per SMS angefordert - die Nummer mit einem dicken Filzstift auf die Rallyefahne gemalt – und schließlich, als Beweis der Startzeit meiner Tour noch eine Cola gekauft.
Und los geht’s…Ich habe im Vorfeld 19 Bonuspunkte festgelegt, die ich heute ansteuern möchte.
Die ersten liegen so zusagen direkt vor meinen Füßen - mitten in Basel. Der erste Punkt ist ein kleines Käse Geschäft in der Fußgängerzone. Die Lage „Fußgängerzone“ entpuppt sich als ein Gewirr von Einbahnstraßen, die mein Navi ordentlich ins Rotieren bringen. Als ich den Zugang zur Fußgängerzone endlich finde, verlässt mich kurz der Mut. Die Schweiz ist bekannt für ihre drakonischen Strafen im Straßenverkehr. Kann ich es wagen mit dem Motorrad in die Fußgängerzone zu fahren? Vor der Einfahrt sind Poller in die Straße eingelassen und ein großes Schild beantwortet meine Frage eigentlich unmissverständlich. Aber es hilft nichts. Der erste Punkt will eingefahren werden. Das wird die Polizei im Zweifelsfall doch verstehen, oder? Während ich mein Foto vom Käsegeschäft mache, taucht ein weiterer Fahrer auf und sichert sich seinen Punkt. Na also. Dann sitzte ich wenigstens nicht alleine in der Zelle!
Schnell den Punkt noch in meine Liste eingetragen und ein weiteres Foto von der Schweizer Flagge über dem Geschäft gemacht und weiter geht´s.
Weiter geht’s…Das wäre schön, nur leider weigert sich mein Navi den nächsten Punkt anzusteuern. Es ist zwar angeschaltet und leuchtet in allen bunten Farben, aber im Display bewegt sich nichts. Was ist das denn jetzt bitteschön?!? Neustart des Geräts folgt auf Neustart. Es tut sich nichts. Was mache ich jetzt? Aufgeben und direkt ins Ziel zum Rallye Hauptquartier nach Lachen fahren? Nein, das ist keine Option. Ich habe für einige (leider nicht für alle Ziele) Karten auf Google Maps ausgedruckt. Eine grobe Straßenkarte der Schweiz habe ich auch dabei. Damit finde ich zwar nicht die weiteren Punkte in Basel, aber für die größeren auf dem Land sollte es reichen. Und tatsächlich schaffe ich es auf diese Art von meinen 19 geplanten Punkten wenigstens 8 zu finden. Zwischendurch erwacht mein Navi zwar immer wieder einmal kurz zum Leben, aber leider nie lang genug um eine echte Hilfe zu sein. Mir ist klar, dass ich mit meiner Methode keinen Blumentopf gewinnen werde, aber vielleicht reicht es ja für die Mindestpunktzahl und ich komme wenigstens als Finisher ins Ziel.
Meine neue Art der Navigation kostet Zeit, viel Zeit. Zeit die man auf einer 12 Stunden Rallye eigentlich gar nicht hat. Ich fahre viele Kilometer umsonst, weil ich mich immer wieder verfahre. Schon blöd, wenn man jahrelang nur nach Navi fährt und das Kartenlesen nur noch als grobe Orientierung zwischen zwei Punkten verwendet. Habe ich den Ort mit dem nächsten Bonuspunkt gefunden, muss ich erst einmal jemanden finden, der mir den Weg zum finalen Ziel erklärt. Zweimal werde ich dabei in die Falsche Richtung geschickt…Kein Problem. Ich habe ja Zeit!
Wenn Ihr nun denkt, dass wäre nicht mehr zu toppen, muss ich Euch enttäuschen. Mein nächstes Highlight ist die vor meinen Augen ablegende Fähre am Vierwaldstätter See. Die Nächste geht in 90 Minuten. Also noch eine Runde um den See. Dank meiner hervorragenden Navigation habe ich ja erst zwei Runden hinter mir…
Ich schaffe es auch zweimal mitten in einen Almabtrieb zu geraten. Da haben die Kühe natürlich Vorfahrt und alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen warten.
Als ich das zweite Mal beim Almabtrieb zusammen mit den anderen Verkehrsteilnehmern warte, passiert mir das Unglaublichste in meiner bisherigen Motorradkarriere.
Da ich hoffe, dass die Kühe schnellstmöglich die Straße überqueren werden, bleibe ich einfach auf dem Motorrad sitzen und schalte lediglich den Motor aus. In dem Dorf, in dem ich warten muss, ist Riesen Stimmung mit Volksfest und Bier in Strömen. Einigen der Dorfbewohner und Besucher ist das auch schon anzusehen. Unvermittelt nähert sich auf meiner rechten Seite eine dieser Volleulen und fängt an lautstark auf mich einzureden. Da es sich um einen Einheimischen handelt kann ich leider kein Wort verstehen. So schnell kann ich gar nicht reagieren, greift der Fremde auf einmal zu, zieht meinen Zündschlüssel aus dem Schloss und geht lauthals krakelend weiter. Im ersten Augenblick bin ich so schockiert, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll. Also runter vom Motorrad und nichts wie hinterher. Nach einem lautstarken Wortwechsel scheint das alkoholaufgeweichte Gehirn meines Gegenübers doch zu begreifen, dass es bei mir nur noch wenige Sätze mit der verbalen Diskussion weitergeht und das dann auf einen nonverbalen Meinungsaustausch umgeschaltet wird! Der Betrunkene wirft mir meinen Schlüssel zu und zieht lautstark weiter. Da habe ich aber wirklich noch einmal Glück gehabt. Ich habe keinen Ersatzschlüssel dabei und mit einer handfesten Auseinandersetzung mit einem Einheimischen, hätte der Tag nicht im Ziel der Rallye, sondern wahrscheinlich auf einer Schweizer Polizeiwache geendet.
Der Rest des Tages verläuft (glücklicherweise) unspektakulär. Einige meiner geplanten Punkte kann ich anfahren, einige muss ich liegen lassen. Mein Navi hat mittlerweile dauerhaft in den Modus „mal funktioniere ich, mal funktioniere ich nicht“ umgeschaltet.
Ärgerlich, aber für den Moment nicht zu ändern. Trotzdem macht das Fahren in der Schweiz Spaß und ich weiß, dass ich wenigstens die Mindestpunktzahl erreicht habe. Ungefähr 30 Minuten vor dem Beginn der Zeitstrafe fahre ich in dem kleinen Städtchen Lachen über die Ziellinie. Das Rallye Hauptquartier befindet sich in einem Haus der Pfadfinder, wo ich heute Nacht auch mit einigem anderen Fahren übernachten werde.
Die Betreuung vor Ort ist perfekt. Kaum abgestiegen bekomme ich erst einmal ein Glas Wasser gereicht und einen Platz gezeigt, an dem ich in Ruhe meine Unterlagen für das Scoring ausfüllen kann.
Das eigentliche Scoring geht aufgrund meiner doch recht übersichtlichen Punktzahl schnell von statten. Wenigstens werden alle meine Punkte akzeptiert. Meine Dokumentation stimmt mit meinen „Beweisfotos“ überein.
Nach einem leckeren Abendessen vom Grill werden die Platzierungen bekannt gegeben. 17. Platz! Allerdings war mir nach diesem Tag schon im Vorfeld klar, dass heute nicht viel zu holen sein wird.
Dafür entschädigt ein geselliger Abend mit den anderen Fahrern. Das ein oder andere Bier wird getrunken und neue und alte Rallye Geschichten ausgetauscht.
Nach einer kurzen Nacht im Mehrbettschlafraum des Pfadfinder Hauses (ich hätte in meinem Alter nicht gedacht so etwas noch einmal zu erleben), mache ich mich am nächsten Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück auf den knapp 450 Kilometer klangen Heimweg.
Fazit: Eine von den Ausrichtern super gut organisierte Rallye. Ein Navi, das dringend ersetzt werden muss und ein Motorradwanderer, der dringend mal wieder an seinen Fähigkeiten eine Straßenkarte zu lesen arbeiten sollte…