Die IBA ist kein Verein im eigentlichen Sinn. Es gibt kein Mitgliedsbeiträge und keine Vereinsstatuten. Die IBA ist einfach ein Zusammenschluss von Fahrern, die sich dem Langstrecken Motorradfahren verschrieben haben. Zur Zeit hat die IBA weltweit ca. 50.000 Mitglieder. Das einzige, was man tun muss um Mitglied zu werden, ist innerhalb von 24 Stunden 1.600 Kilometer mit dem Motorrad zufahren, oder 2500 Kilometer in 36 Stunden, oder einfach nur einen der anderen angebotenen Rides zu absolvieren.
Die Liste reicht dabei von den oben beschriebenen 1.600 Kilometern, bis hin zur IBA Rally, in deren Rahmen in 11 Tagen mindestens 16.000 Kilometer gefahren werden...
Das Motto der IBA lautet. „The world is our playground“....Passt ja auch irgendwie...
Warum tut man sich so etwas an? Wahrscheinlich kann man die Frage nur beantworten, wenn man es einmal versucht hat...
Und da ich schon immer neugierig war....Fahre ich eben mal 1600 Kilometer in 24 Stunden...
Vorbereitungen:
Ob eine BMW F650GS die optimale Maschine für eine Langstreckenfahrt ist, werde ich hinterher wissen. Auf jeden Fall wurde das Motorrad vorher technisch noch einmal gründlich gewartet.
Um mir die Fahrt so bequem wie möglich zu gestalten, habe ich mir noch etwas Zubehör angeschafft:
Einen so genannten „Gasgriffassistenten“. Das ist im Grunde nichts anderes als ein Stück Plastik, dass über den Gasgriff gezogen wird und mit dem es möglich ist, das Handgelenk zu entlasten. Das Ganze funktioniert so, dass der Handballen den Gasgriff herunter drückt und man nur wenig Kraft aufwenden muss, um eine konstante Geschwindigkeit zu fahren.
Aus den USA habe ich mir eine „Beadrider“ Sitzauflage schicken lassen. Dass ist eigentlich nichts anderes, als die Kugelsitzauflagen, die man hier bei uns von Taxifahrern kennt. Angeblich kann man damit stundenlang fahren, ohne an einem eingeschlafenen Hinterteil zu leiden. Die IBA Mitglieder in den USA schwören darauf. Na dann..., was auf den US-amerikanischen Highways funktioniert, muss doch auf unseren Bundesautobahnen auch funktionieren...
Eine exakte Route muss natürlich auch ausgearbeitet werden. Es wäre schade, wenn die Beurkundung eines „1600 Kilometer in 24 Stunden“ Rides an ein paar fehlenden Kilometern scheitern würde....
Es gibt keine festgelegte Strecke. Die Vorgaben besagen lediglich, dass kein Weg doppelt gefahren werden darf. Den Beweis für die gefahrene Strecke liefern die unterwegs gesammelten Tankbelege.
Spätestens alle 500 Kilometer muss getankt werden (da träume ich mit meiner kleinen GS aber nur von...). Auf Basis dieser Belege wird die IBA später die kürzeste Strecke rekonstruieren. Diese wird dann entscheiden, ob ich Aufnahme in den „Club der Eisenärsche“ finde.
Folgende Strecke habe ich ausgetüftelt:
Idstein – Göttingen
Göttingen – Hamburg
Hamburg – Berlin
Berlin – Dresden
Dresden – Nürnberg
Nürnberg – Heilbronn
Heilbronn – Idstein
Alles in allem „lächerliche“ 1621 Kilometer!
Auf meinen Bildschirm sieht das auf jeden Fall gut aus und es fühlt sich an, als ob es zu schaffen wäre.
Ach so...Eine wichtige Frage ist ja noch zu klären. „Unternehme ich diese Tour alleine?“
Die Frage hat sich eigentlich ganz schnell beantwortet. „Ja“! Jeder Fahrer hat unterschiedliche Bedürfnisse wann getankt werden muss, wann man eine Pause machen möchte, usw.
Bei einer Fahrt gegen die Uhr, spart es also auf jeden Fall Zeit alleine unterwegs zu sein
So weit zur Vorbereitung und jetzt geht es los...
Bereits am Vorabend packe ich alle Utensilien für unterwegs und bereite für die Pausen etwas zu essen vor. Schließlich will ich keine kostbare Zeit in Warteschlangen an Raststätten verschwenden.
Um 09:00 Uhr ist Zapfenstreich. Um 05:00 Uhr will ich aufstehen und um 06:00 Uhr meinen ersten Tankbeleg bekommen. Tankbelege...Das ist für IBA Mitglieder und die, die es wie ich werden wollen etwas ganz wichtiges. Dokumentieren sie doch die Zeit und die gefahrene Strecke.
Aber noch sind wir beim Aufstehen. Meinem Adrenalin sei Dank, bin ich bereits um kurz nach 03:00 Uhr hellwach. Nach einigem Hin- und Her wälzen im Bett, treffe ich die Entscheidung den Start nach vorne zu verlegen.
Um 04:21 Uhr ist es schließlich so weit. Ich tanke die BMW voll und halte den ersten Tankbeleg in den Händen. Das gute Stück wird nummeriert, in das sogenannte Tank Logbuch eingetragen und in einer wasserdichten Hülle verstaut. Sollte ich auch nur einen Beleg verlieren, wäre wahrscheinlich die ganze (Tor) tour umsonst gewesen.
Ab geht es auf die Autobahn Richtung Göttingen. Es ist noch stockdunkel und außer mir scheinen alle noch zu schlafen. Gut für mich, so kann ich schnelle Kilometer machen. Die Zusatzscheinwerfer meiner BMW machen sich bezahlt. Die Autobahn ist angenehm ausgeleuchtet und ich kann entspannt fahren. Entspannung. Das ist auch so ein wichtiger Punkt beim Langstrecken fahren. Nur wer entspannt ist, wird unterwegs nicht vorzeitig müde. Noch lasse ich meinen MP3 Player aus und habe nur Gehörschutzstöpsel in den Ohren. Um die Uhrzeit ertrage ich weder Agatha Christie, noch Elvis und Co...
Um 06:53 Uhr wird es langsam hell und habe meine erste Tankstelle in Göttingen erreicht. Bei meiner Planung habe ich im Vorfeld alle Tankstellen festgelegt. Ich habe mal gelesen, das „Abenteuer das Ergebnis von schlechter Planung ist“. Nach Abenteuer ist mir bei einem solchen Tagesprogramm wirklich weniger zu Mute...
Da ist schon ein tolles Erlebnis, mit dem Motorrad aus der Nacht in den Sonnenaufgang zu fahren. Das habe ich bis jetzt noch nicht erlebt.Eigentlich plane ich meine „normalen“ Touren sonst so, dass sie im Hellen beginnen und auch enden. Vielleicht wird das ja ab jetzt anders...
Um ein bisschen Unterhaltung zu haben, steige ich von Gehörschutzstöpsel auf MP3 Player um. Das erste Hörbuch ist fällig. „Fata Morgana“ von Agatha Christie. Mal sehen, wer der Mörder ist.
Weiter geht es Richtung Hamburg. Eigentlich ganz schön bekloppt. Ist das wirklich eine gute Idee? Egal, ich ziehe das jetzt durch. Noch tut nichts weh und ich sitze auch bequem. Apropos sitzen. Erinnert Ihr Euch noch an die Beadrider Sitzkugeln vom Anfang? Bis jetzt eine super Investition. Ich sitze zwar nicht mehr ganz so weich, aber dafür kann ich immer wieder mal die Sitzposition ändern ohne, dass das wie Motorrad-Yoga aussieht. Mit ein wenig Unterhaltung auf den Ohren vergeht die Zeit bis Hamburg relativ schnell. Bereits um 10:03 halte ich den nächsten Beleg in den Händen. Bevor es weiter geht, ist jetzt erst einmal Zeit für das Frühstück. Dank meiner Essensvorbereitungen ist auch das in kürzester Zeit erledigt.
Weiter geht die Fahrt nach Berlin. Langsam vermehrt sich auch der Verkehr auf der Autobahn und kurz nach meinem Start von der Hamburger Raststätte gerate ich in den ersten und zum Glück auch einzigen Stau des Tages. Aber wer auf zwei Rädern unterwegs ist, kommt in den meisten Staus trotzdem voran. In diesem Fall ist der Stau sehr kurz und muss nicht allzu lange die neidischen Dosenfahrer auf dem Pannenstreifen überholen. Die Sonne steht langsam hoch am Himmel und das Thermometer klettert langsam aber sicher auf die 30 Grad Marke. Kalt ist mir auf jeden Fall nicht.
Meine Tachonadel steht mit Hilfe des Gasgriffassistenten wie festgenagelt auf 130 K/mh. Für mich eine gute Geschwindigkeit. Ich bin schneller als der langsamste auf der Autobahn, und langsamer als der schnellste. Der Fahrtwind merke ich kaum und die Anstrengung hält sich in Grenzen.
Ich habe mich schon drei mal für einen anderen Mörder entschieden (zwei potenzielle Kandidaten wurden mittlerweile dahin gemeuchelt) als ich die geplante Raststätte in Berlin erreiche.
Ich habe zwischenzeitlich einen festen Tankablauf entwickelt. Maschine auf den Hauptständer – tanken – in der Zeit Navi und GPX Tracker vom Lenker abmachen und in die Tasche stecken – Tankschloss schließen – Schlüssel in die linke Hosentasche (damit ich nicht wie sonst danach suchen muss) – Nummer der Zapfsäule merken – Tankrucksack ab (Diebe und Verbrecher sind überall) – bezahlen – prüfen, ob auf der Quittung der korrekte Ort und die richtige Zeit angegeben sind – den Tankstop im Logbuch erfassen – Navi, Tracker und Tankrucksack wieder aufbauen – ein langer Schluck Wasser – mir schnell noch mal sagen, dass ich doch alle Tassen im Schrank habe, obwohl ich das hier mache – und weiter geht die Fahrt - jetzt Richtung Dresden...
Mein Hinterteil schmerzt noch nicht. Vielleicht bleibt das ja auch so...Mit Müdigkeit habe ich auch nicht zu kämpfen. Einzig die Hitze macht mir ein wenig zu schaffen und von Zeit zu Zeit melden sich meine Knie. Gegen die Hitze kann ich nicht viel ausrichten, aber gegen das unangenehme Gefühl in den Knien hilft es, die Geschwindigkeit zu senken und eine Zeit lang im Stehen zu fahren.
Ich bin beeindruckt, in welch fantastischem Zustand die Autobahn Richtung Dresden ist. Immer wieder weisen Schilder darauf hin, dass auf den nächsten Kilometern eine neue Asphaltsorte getestet wird. Ich würde sie alle nehmen...
In Dresden habe ich die ersten 1.000 Kilometer in der Tasche oder besser gesagt auf der Uhr. Es wird Zeit für eine etwas längere Pause. Daher gönne ich mir für knapp zwei Stunden ein Motelbett und eine Dusche. Die Dame an der Rezeption ist etwas irritiert, dass ich für mich alleine ein Zimmer für zwei Stunden haben möchte. Wahrscheinlich erschüttere ich gerade ihr Weltbild...
Unglaublich wie ein bisschen Schlaf und eine kühle Dusche die Lebensgeister wieder wecken können. Aber jetzt wird es Zeit die nächste Etappe Richtung Nürnberg in Angriff zu nehmen.
Mit den ersten 1000 Kilometern in der Tasche habe ich schon über die Hälfte geschafft. Hoffentlich geht jetzt nichts mehr schief. Ich fühle mich frisch und ausgeruht. In Hinblick auf die „lange“ Pause in Dresden, habe ich in den vorherigen Etappen auf längere Unterbrechungen verzichtet und es sieht langsam so aus, als würde mein Konzept aufgehen.
Mit dem nächsten Krimi auf den Ohren (16:50 Uhr ab Paddington – leider weiß ich schon vorher wer der Mörder ist) frisst die BMW Kilometer um Kilometer und so bin ich schon fast überrascht, als das Schild, dass mich in Bayern begrüßt an mir vorbei fliegt. Die Sonne geht langsam unter und da ich nicht an einer Autobahntankstelle Abendessen möchte, entscheide ich mich für eine Essenspause auf einem Parkplatz ca. 10 Kilometer vor der geplanten Tankstelle. Leider habe ich auf dieser Tour, wie sonst üblich, keine Zeit um Fotos zu machen. Aber wahrscheinlich wären sie sowieso nicht sonderlich spannend. Zapfsäulen, Raststätten und Autobahnasphalt und das im ständigen Wechsel. Das ist ein Nachteil an den Iron Butt Rides. Man sieht nicht viel von der Umgebung...
Auf geht’s Richtung Heilbronn. Nach dem planmäßigen Tankstop in Nürnberg ist es mittlerweile wieder stockdunkel. Fahre ich jetzt wirklich schon seit heute früh? Langsam schmerzen mein Knie immer öfter und auch mein Hinterteil meldet sich trotz Kugelauflage von Zeit zu Zeit. Ich fahre immer öfter im Stehen und setzte mich von Zeit zu Zeit auf den Soziussitz, der etwas weicher gepolstert ist. Langsam aber sicher fange ich an, mir meine Urkunde wirklich zu erarbeiten. Aber so kurz vor dem Ziel kommt mir nicht einmal der Gedanke an Aufgabe.
Je mehr ich mich Heilbronn nähere, desto mehr bemerke ich zwei Dinge. Erstens, sobald der Abend in die Nacht übergeht, drehen alle Hobby und Freizeit Schuhmacher auf der Autobahn voll auf und versuchen ihre persönlichen Bestzeiten zu verbessern und zweitens, dass immer mehr Regenwolken aufziehen.
Tatsächlich fängt es auch kurze Zeit später an zu regnen. Da ich die letzten Stunden nicht mit nasser Jacke und Hose fahren möchte, entscheide ich mich auf einem Parkplatz schnell in meinen Regenkombi zu schlüpfen. Super Idee! Mit Taschenlampe in der Hand auf einem finsteren Parkplatz. Zum Glück bin ich alleine und trage im Regen nicht zur Belustigung anderer Reisender bei. Kaum habe ich mich in den Regenkombi gequetscht, hört es natürlich auf zu regnen. Meine Reaktion wäre sicherlich ein Foto wert gewesen. Ich beschließe den Regenkombi den Rest der Strecke anzulassen, aber außer ein paar Blitzen am Himmel bleibt das Wetter stabil.
Endlich kommt sie in Sicht. Die vorletzte Tankstelle auf diesem Wahnsinns Ritt. Der Tankwart macht einen verschlafenen Eindruck. Wenn der wüsste wo ich herkomme! Und noch einmal die gesamte Prozedur, vom Abbau des Navis, über das Bezahlen, bis zum Ausfüllen des Logbuchs.
Und ab geht es auf die letzte Etappe. Noch knapp 2 Stunden fahrt und ich habe es geschafft. Diese Gewissheit endet noch einmal in einem kräftigen Motivationsschub. Kein Anzeichen von Müdigkeit macht sich breit und die letzten Kilometer vergehen schnell. Ich freue mich auf die Flasche Bier nach meiner Ankunft zu Hause und überlege mir schon mal ein Ehrenplatz im Wohnzimmer für die Urkunde der IBA.
Und tatsächlich, überrascht mich vor lauter Tagträumen fast das Abfahrtschild meines Heimatortes. Ich fülle den Tank der BMW an der gleichen Tankstelle, an der ich vor circa 20 Stunden in den Ride eingestiegen bin und bekomme endlich die lang ersehnte letzte Tankquittung. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht fahre ich die letzten 2 Kilometer bis nach Hause. Das Siegesbier gönne ich mir noch. Meine Motorrad Sachen bleiben achtlos auf dem Boden verstreut liegen und schon liege ich in der horizontalen und bin eingeschlafen.
Am nächsten Morgen erwache ich mit einem leichten Taubheitsgefühl meiner Sitzfläche, aber ansonsten hält sich der Muskelkater in Grenzen. Die Beadrider Sitzauflage und der Gasgriffassistent haben gute Arbeit geleistet. Beides kann ich jedem der einen IBA Ride plant nur empfehlen
Ach so...Bleibt immer noch die Frage: Warum man so was? Ich habe auch nach 1600 Kilometern noch immer keine Antwort darauf...
Ich weiß nur, dass es ein wahnsinnig befriedigendes Gefühl ist, wenn die Uhr nicht mehr gegen dich arbeitet und man den letzten Tankbeleg in den Händen hält.
Und auf jeden Fall haben solche Rides ein hohes Sucht Potenzial.
Mal sehen, was als nächstes kommt. Vielleicht alle 16 Bundesländer in 24 Stunden, oder 2000 Kilometer in 24 Stunden...?