Samstag.
Das Display meiner BMW zeigt 22:04 Uhr. Ich drehe den Zündschlüssel nach links und mit einem klackenden Geräusch stirbt der Motor der GS.
„Ich bin wieder zu Hause und stehe endlich vor meiner Garage!“
Die Reise durch die neuen Bundesländer liegt hinter mir. Ich bleibe noch einen kurzen Moment im Sattel sitzen. Der letzte Gedanke hängt wie die Sprechblase eines Comic über mir. Ich kann sie fast sehen.
„Seit wann bin froh, von einer Motorrad Tour zurück zu sein?!?“
Würde ich nicht immer sonst gerne noch ein paar Kilometer fahren? Habe ich schon jemals eine Tour früher als geplant abgebrochen?
„Wie konnte es eigentlich so weit kommen?“
4 Tage zuvor.
Ich verlasse mein Zuhause im Taunus um 04:30 Uhr. Das Motorrad steht seit dem Vorabend gepackt im Hof. Um 05:30 Uhr will ich meinen langjährigen Freund und Reisebegleiter in Rossbach vor der Höhe auf dem Parkplatz des Burgerbraters mit dem goldenen „M“ treffen.
Die vor uns liegende Tour steckt ausgearbeitet vor mir im Tankrucksack und will endlich gefahren werden. Oberstes Ziel: Nur Landstraße! Autobahn ist tabu. Bundesstraße nur, wenn es nicht anders geht.
Der Plan sieht wie folgt aus:
Tag: Rossbach – Zwickau (Besuch des Trabant Museums)
Zwickau – Pirna (Besuch des DDR Museums)
/ 3. Tag: Pirna – Prora (Besuch NVA Museum)
Tag : Prora – Steinthalleben (Kyffhäuser)
Tag: Steinthalleben – Rosdorf (Point Alpha) / zurück nach Hause
Die ersten 100 Kilometer verlaufen unspektakulär. Der Motor ist warm gefahren, die Sonne klettert langsam höher und die Straße unter meinen Reifen verspricht viel Kurvenspaß für die nächsten Tage.
Unangenehm fallen nur 5 Mercedes Sprinter von Mercedes Charterway auf, die viel zu schnell unterwegs sind. Anscheinend kennt nur der erste Fahrer den Weg und die anderen versuchen irgendwie mit seinem Tempo mitzukommen. Sogar als sich die Bundesstraße in der Nähe von Fulda von 2 Spuren auf 1 Spur zusammen zieht, wagt ein Fahrer noch ein Überholmanöver auf den letzten 100 Metern. Das hätte ich mich an dieser Stelle nicht einmal auf zwei Rädern getraut.
In der nächsten Ortschaft wird ein LKW entladen und blockiert somit die rechte Spur. Alle nachfolgenden Fahrzeuge müssen daher links am LKW vorbei. Noch ahne ich nicht, dass der Spaß an der Tour, schon kurz nach dem Start sein jähes Ende finden wird. Direkt hinter dem LKW befindet sich einer der Mercedes Sprinter. Danach folgt mein Freund, ein weiterer der Sprinter wartet hinter ihm. Dahinter stehe ich. Mein Freund steht weit links in der Spur. Nur so kann er sehen, ob der Gegenverkehr eine Lücke bieten wird. Ich traue meinen Augen nicht, als der Sprinter hinter meinem Freund innerhalb der rechten Spur zum Überholen ansetzt und versucht, noch vor meinem Freund an dem LKW vorbei zu kommen. Wahrscheinlich treibt ihn die Angst den Anschluss zu seiner Gruppe zu verlieren. Der Platz reicht natürlich nicht aus. Ein Blinder könnte das erkennen! Es passiert, was nicht mehr zu verhindern ist. Der Sprinter rammt das Motorrad meines Freundes. Das Motorrad fällt um und begräbt seinen Fahrer unter sich. Aber damit nicht genug! Anstatt der Fahrer des Sprinters anhält, gibt er Gas und fährt weiter. Obwohl mein Freund noch gegen die Seitenwand schlägt, verschwindet der Transporter.
Geschockt halte ich an und vergewissere mich, dass meinem Freund nichts passiert ist. Zum Glück hat nur die Maschine etwas abbekommen. Das Windschild ist zerbrochen. Ein Spiegel böse zerkratzt, aber noch dran.Teile der Verkleidung und eines Koffers haben auch etwas abbekommen.
Leider haben wir nur einen Teil des Nummernschilds erkennen können: B-CW. Das es sich um ein Mietfahrzeug handelt, hatten wir schon vor dem Unfall bemerkt.
Wütend über soviel Unverschämtheit renne ich zurück zu meiner BMW und versuche den Transporter einzuholen.Vielleicht kriegen wir doch noch das Kennzeichen. Leider komme ich schon bald an eine Kreuzung, ohne etwas vom Sprinter zu sehen. So muss ich meine Suche bereits nach kurzer Zeit unverrichteter Dinge einstellen. Zurück am Unfallort steht mein Freund glücklicherweise schon wieder neben seinem aufgerichteten Motorrad, dass mittlerweile auf dem Bürgersteig parkt.
Gemeinsam mit einer weiteren Augenzeugin warten wir auf die bereits verständigte Polizei, die ca. 15 Minuten später eintrifft. Obwohl der Sprinter bereits kurz nach dem Anruf bei der Polizei zur Fahndung ausgeschrieben wurde, kann der Fahrer nicht dingfest gemacht werden. Vor Ort werden alle Schäden und die Aussagen protokolliert. Die Verkehrspolizei wird später Ermittlungen wegen Fahrerflucht aufnehmen. Leider müssen wir erfahren, dass alle Mercedes Sprinter der Firma Charterway mit der Kennzeichen Kombination „B-CW“ ausgerüstet sind und sich hunderte Fahrzeuge nur über die nachfolgenden Ziffernkombinationen unterscheiden.
Es gibt aber auch noch nette Menschen. Ein freundlicher Anwohner versorgt uns auf den Schreck erst einmal auf der Straße mit frischem Kaffee. Als Motorradfahrer kann er nachvollziehen, wie einem ein solcher Unfall in den Knochen sitzt.
Das Motorrad ist noch fahrtüchtig. So können wir unsere Fahrt Richtung Osten wieder aufnehmen. Wenn wir gewusst hätten, was jetzt folgt, wären wir wahrscheinlich auf direktem Weg nach Hause gefahren...
Aber so geht unsere Reise erst einmal über den Rennsteig in Thüringen, weiter Richtung Zwickau in Sachsen. Eine interessante Strecke, die gesäumt ist von vielen alten, aber restaurierten Häusern. Der Belag der Landstraßen könnte etwas besser sein. Anscheinend ist es doch ein Vorurteil, dass die Straßen in den neuen Bundesländern so viel besser sind, als die in den alten. Dafür stimmt es, dass man in Osten wesentlich günstiger essen kann als im Westen. In einer Metzgerei zahle ich für ein Schnitzel mit zwei Beilagen und einer Cola unglaubliche 4,44€. Das ist günstiger, als mein täglicher Kantinenbesuch.
Auffällig ist auch die Kontaktfreudigkeit der Leute . Innerhalb kürzester Zeit, werde ich drei mal auf unsere Tour und meine BMW angesprochen. Das passiert sonst eher selten.
Gegen 14:00 Uhr hebt sich der Vorhang zum zweiten Akt unseres Dramas. Kurz vor Zwickau macht mein Reisebegleiter durch Hupen und einem Fernlicht Feuerwerk in meinen Rückspiegeln auf sich aufmerksam. Als ich meine Maschine abstelle und zurück gehe, kann ich das nächste Problem schon von weitem sehen. Seine Wasserpumpe ist offensichtlich defekt. Unter dem Motorrad hat sich schon eine große Wasserlache gebildet. Wenn ich noch Haare hätte, würde ich sie mir jetzt raufen! Innerhalb weniger Stunden erst ein Unfall und jetzt das!
Mit Hilfe des Navis finden wir eine kleine freie KFZ Werkstatt in der Nähe. Nachdem das defekte Motorrad abgekühlt ist, wagen wir es, die 500 Meter zur Werkstatt zu fahren. Da die Bestellung einer neuen Wasserpumpe bei Kawasaki mehrere Tage in Anspruch nehmen würde, lässt sich der Werkstattmeister auf einen Reparaturversuch ein. Wenn das klappt, würde nur der Besuch des Trabant Museums in Zwickau ausfallen – wenn nicht, endet unsere Tour am ersten Tag.
Gegen 17:00 Uhr stehe ich seit drei Stunden vor der Werkstatt. In kenne den Arbeitsablauf des Tankwarts der gegenüberliegenden Tankstelle in und auswendig. Ich habe die vorbei fahrenden Autos gezählt und mit meiner Kamera Unmengen an Selbstportraits angefertigt.
Als ich gebeten werde, im 25 Kilometer entfernten Saalfeld Ersatzteile für die Wasserpumpe abzuholen, mache ich mich sofort auf den Weg. Endlich etwas zu tun und ein paar Meter fahren.
Circa eine Stunde später bin ich zurück, und nach einer weiteren Stunde ist die reparierte Wasserpumpe bereit für einen Testlauf. Also Daumen drücken und auf das Prinzip Hoffnung setzen! Aber da Hoffnung bekanntlich Opium für Verlierer ist, passiert was ich befürchtet habe. Das komplette Kühlwasser ergießt sich in den Hof der Werkstatt.
Jetzt ist die Tour wohl endgültig beendet, oder ist das Licht am Ende des Tunnels schon der nächste Zug, der uns entgegen kommt?
Aus der Motivation, die Tour nicht aufzugeben, wird die Idee geboren, über den ADAC einen Leihwagen zu besorgen - damit zurück nach Frankfurt am Main zu fahren – aus dem Keller meines Freundes die sich dort befindliche Ersatz Wasserpumpe zu holen – in der gleichen Nacht zurück Richtung Zwickau zu fahren – die neue Wasserpumpe am nächsten Morgen einzubauen – um die Tour gegen 08:30 Uhr fortzusetzen zu können. Von Zwickau nach Frankfurt am Main sind es ungefähr 300KM einfach. Die nächste Mietwagen Station des ADAC ist in Jena und damit ca. 45 Minuten entfernt. So sieht echte Verzweiflung aus!
Da es nicht notwendig ist, dass wir uns beide die Nacht um die Ohren hauen, setzt mein Freund seinen Plan in die Tat um und ich nehme mir ein Zimmer im Parkhotel Villa Altenburg.
Mit zugegeben etwas schlechten Gewissen sitze ich kurze Zeit später im piekfeinen Hotelrestaurant. Falls es meinen Reisebegleiter an dieser Stelle tröstet...Aufgrund der Tatsache, dass ich nicht wie die anderen Herren im Saal einen Schlips trage, sondern ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Motorradfahrer“ ernte ich viele skeptische Blicke und sorge für das ein oder andere Tischgespräch.. Vielleicht haben die anderen Gäste auch nur Angst, die Hells Angels könnten auf der Suche nach einem neuen Clubheim sein. Das Essen ist trotzdem hervorragend... Sorry...
Pünktlich um 08:30 Uhr am nächsten Morgen stehe ich wieder vor der KFZ Werkstatt des Vortags. Mein Freund ist bereits damit beschäftigt, die neue Wasserpumpe einzubauen.
Diesmal hilft das Daumen drücken. Die Wasserpumpe übersteht problemlos 10 Minuten im Leerlauf und zusätzlich eine ausgedehnte Probefahrt.
Jetzt haben wir nur noch das Problem, dass der Leihwagen zurück nach Jena muss. Mittlerweile ist es 11:00 Uhr und es wird 13:00 Uhr bis wir nach Jena hin – und einem Taxi zurück gefahren sind. Immerhin ist die Rückfahrt recht kurzweilig. Der Taxifahrer weiß viel über die ehemalige DDR und seine Bewohner zu erzählen.
Auf jeden Fall sind wir wieder im Rennen. Weiter geht es nach Pirna. Hier gibt es ein großes DDR Museum, in dem auf 29.000qm Ausstellungsfläche der Alltag und die Geschichte der DDR gezeigt werden. Eigentlich hatten wir die Anreise über Landstraße geplant. Aufgrund der verlorenen Zeit, geht es jetzt aber leider doch auf die Autobahn. Für ein Mittagessen bleibt da leider keine Zeit.
Das Museum befindet sich in einem 140 Jahre alten Gebäude. Auf zwei Etagen wird in einer Vielzahl von Räumen das Leben in der DDR gezeigt. Die Ausstellung reicht von einer typischen Wohnung, über ein Klassenzimmer (das sich bis auf Erich an der Wand nicht sonderlich von den Schulen im Westen unterscheidet), bis hin zu Geschäften und einem Revier der Volkspolizei.
Da wir unserem Zeitplan noch immer gewaltig hinter her hinken, bleiben uns nur 1,5 Stunden bis das Museum um 17:00 Uhr schließt. Auch, wenn alles einen etwas verstaubten Eindruck macht, hätte ich mir die Räume doch gerne in Ruhe angesehen.
Und so fassen wir den Entschluss weiter unserem Zeitplan hinterher zu fahren und machen uns wieder auf die Autobahn. Wir wollen noch so weit wie möglich Richtung Ostsee. Um 19:30 Uhr ist in der Nähe von Cottbus für meinen Freund dann Schluss. Die letzte Nacht ohne Schlaf, und fast 30 Grad fordern ihren Tribut. Wir brauchen eine Unterkunft. Nachdem sich das Landhotel, dass wir auf Empfehlung des Navis angefahren haben, als Bordell entpuppt, finden wir doch noch einen einfachen Gasthof, in dem auch noch eine halbe Stunde Essen angeboten wird. Duschen vor dem Essen wird sowieso vollkommen überbewertet...Insbesondere bei den Temperaturen.
Nach dem Abendessen brüten wir über den Straßenkarten und müssen feststellen, dass unsere ursprüngliche Reiseplanung unmöglich einzuhalten ist. Also erarbeiten wir mit Hilfe von Straßenkarte und Internet eine Alternativ Route durch das Erzgebirge. Es ist zum Haare raufen! Es geht morgen also zurück in die Richtung, aus der wir gerade erst gekommen sind. Klasse, oder?
Der neue Plan umfasst folgende Route:
Klein Gaglow (bei Cottbus) – Stollberg
Stollberg – Obernhau
Obernhau – Seiffen
Seiffen – Anaberg Buchholz
Das entspricht ungefähr 195 Kilometern Landstraße und damit 4 bis 5 Stunden Fahrt.
Ein kurzer Zwischenstopp in Dresden auf dem Weg ins Erzgebirge muss allerdings noch sein. Wenn ich schon in der Nähe von Dresden bin, ist ein Besuch im Bundeswehr Museum Pflicht. Mein „ungedienter“ Reisebegleiter kann das zwar nicht ganz verstehen, ergibt sich aber seinem Schicksal.
Nach einem kurzen Frühstück machen wir uns früh am nächsten Morgen auf den Weg. Der Wetterbericht verspricht für heute 34 Grad. Der Weg nach Dresden führt zwei Stunden lang über eine kerzengerade Landstraße, die direkt von unserer Unterkunft ins Militärhistorische Museum der Bundeswehr zu führen scheint. Unterwegs stellt sich mir immer wieder die gleiche Frage:
„Für was bin ich eigentlich bis nach Cottbus gefahren?“
Das Bundeswehr Museum ist leicht gefunden. Es gilt als das größte militärhistorische Museum in Europa. Die Ausstellungen befassen sich mit Militärgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit. Das Museum hat einige interessante Exponate zu bieten. So kann das erste deutsche U-Boot, der so genannte Brandtaucher von 1850 in Augenschein genommen werden. Andere ungewöhnliche Exponate sind z.B. eine komplette V2 Rakete aus dem 2. Weltkrieg oder ein original chemischer Bleistiftzünder des Attentats auf Hitler vom 20.07.1944. Man bräuchte auf jeden Fall mehr als 2,5 Stunden, um alle Räume und Ausstellungsgegenstände in Ruhe zu besichtigen.
Da mangelnde Zeit der Fluch dieser Tour zu sein scheint, machen wir uns gegen Mittag weiter auf den Weg Richtung Erzgebirge. Um 13:30 Uhr stecken wir bei 36 Grad im dicksten Stadtverkehr von Dresden fest. Alles scheint sich gegen uns verschworen zu haben. Jede Ampel steht auf rot. Baustelle reiht sich an Baustelle und der Fahrstil der Dresdner würde jedem kaiserlich japanische Kamikaze Flieger Ehre machen! Bei manchem Fahrmanöver stehen mir die letzten Haare unter dem Helm zu Berge...
Liebe Dresdner! Bitte entspannt etwas am Steuer. Zweiradfahrer haben keine Knautschzone...
Endlich haben wir die Stadt hinter uns und kämpfen uns durch die Hitze weiter Richtung Erzgebirge. Die Navigation gestaltet sich heute Nachmittag sehr mühsam. Alle Landstraßen die wir brauchen, sind wegen Bauarbeiten gesperrt. Ich überlege, der Stimme in meinem Helm den Ton abzudrehen.
„Bitte wenden Sie!“, hilft nicht wirklich weiter, wenn man nicht wenden kann. Auch dann nicht, wenn man es alle 100 Meter wiederholt...
Aufgrund der Hitze wollen wir heute früh ein Hotel finden. Eigentlich eine vernünftige Idee, wenn nicht Freitags generell alle Herbergen Ruhetag haben, ausgebucht oder wegen Betriebsferien geschlossen sind.
In Zwönitz werden wir in einer kleine Privatbrauerei endlich fündig. Zimmer mit 60er Jahre DDR Charme, Toilette auf dem Flur und eine Gemeinschaftsdusche!! Was will man mehr?
Da wir angeblich die einzigen Gäste im Haus sind, requiriere ich für mich die Damentoilette. Das geht zumindest so lange gut, bis mich die erste Dame beim Verlassen der Örtlichkeit mit einem unmissverständlichen Blick auf meine Verfehlung hinweist. So viel zum Thema „...einzige Gäste“.
Da wir in einer Brauerei abgestiegen sind, nutzen wir die Gelegenheit zu einer Bierprobe. Fünf Sorten können in 0,1 Liter Gläsern, ohne Gefahr eines Riesenkaters am nächsten Morgen getestet werden. Richtig überzeugt hat mich leider keins....Sorry...
Nach dem vierten Glas steht plötzlich ein Nachtwächter in historischer Uniform, Hellebarde und Laterne vor unserem Tisch. Für einen Moment frage ich mich, was die hier ins Bier machen?
Aber da mein Freund den Nachtwächter auch sieht, muss er echt sein. Glück gehabt...
Nachdem er seinen Spruch aufgesagt hat, erzählt er uns von seinen drei Kollegen, mit denen er, zwecks Unterhaltung der Touristen, abwechselnd die Gasthäuser des Ortes aufsucht Habt ihr gewusst, das es eine historische Nachtwächtergilde mit mehr als 150 Mitgliedern gibt, die sich jedes Jahr in einer anderen europäischen Stadt trifft? Sag noch einmal einer, dass Reisen nicht bildet.
Am nächsten Morgen versuchen wir die geplante Tour durch das Erzgebirge zu fahren. Keine Chance! Es geht genauso weiter, wie am Vortag. Jede interessante Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Das Navi routet alternativ jedes mal wieder auf eine langweilige Bundesstraße. Wir ergeben uns unserem Schicksal und fahren wenigstens auf den Fichtelberg. Immerhin mit 1.215 Metern die höchste Erhebung im Erzgebirge.
In einem Gasthof, kurz unterhalb der Bergspitze, besprechen wir mal wieder eine Alternativ Route. Langsam ist die Luft raus. Es scheint sowieso nur immer schlimmer zu kommen. Da die Tschechoslowakei nur ein paar Kilometer entfernt ist, beschließen wir, über das Nachbarland die Heimreise anzutreten. Von den Motorradfahren am Nebentisch bekommen wir noch ein paar Streckentipps, die „man unbedingt fahren muss!“.
Falls ihr diesen Reisebericht lest und euch wieder erkennt...Vielen Dank dafür....!
Die Strecke entpuppt als 20 Kilometer lange Buckelpiste durch den Wald, die man mit maximal 20 km/h befahren kann. Mitten drin überholt mich mein Freund mit einer für diese Strecke völlig unangepassten Geschwindigkeit. Ich wundere mich nur im ersten Augenblick darüber. Dann sehe ich den riesigen Hund, der großes Interesse an den Waden meines Reisebegleiters zeigt!
Wer nun denkt: „Jetzt kann doch nichts mehr passieren...“, sei an dieser Stelle getröstet. Es kann!
Kaum haben wir den besseren Forstweg hinter uns gelassen und sind zurück auf einer richtigen Landstraße, überrascht mich bei ca. 70 km/h mitten auf der Straße ein arm dicker Ast, der von seinem Baum am rechten Fahrbahnrand, bis in die Mitte meiner Spur reicht. Ich bremse ab und zirkle um den Ast herum. Der hätte gereicht, um mich aus den Satteln zu heben. Und da schimpfen wir über die Straßenqualität in Deutschland.
Nur wenige Kilometer weiter kommt mir ein weißer Geländewagen mit viel zu hoher Geschwindigkeit in meiner Spur entgegen. Was ist denn bloß los? Hat sich denn wirklich alles gegen uns verschworen? Nur meine beherzte Flucht ins Bankett der Straße verhindert schlimmeres. Nach dem Schreck brauche ich erst einmal eine kurze Pause.
Es reicht! Die Tour fängt an zu einem richtigen Fiasko zu werden. Jetzt geht es zurück Richtung Deutschland. Noch eine Zwischenübernachtung in der Nähe von Kulmbach und wir sind wieder zu Hause. Diesmal ist der Wurm drin und es bringt nichts, irgendetwas zu erzwingen.
Aber selbst auf den letzten Kilometern ändert sich nichts. Nicht einmal ein gutes Essen zum Abschluss ist uns vergönnt. Es ist mittlerweile 19:00 Uhr und wir haben uns über Landstraßen bis nach Schweinfurt vorgearbeitet. Alle Hotelbetreiber scheinen sich gegen uns verschworen zu haben. Wir finden partout keine Zimmer. Betriebsferien, ausgebucht...alles wie gehabt.
Das muss ein Omen sein! Nach einer kurzen Besprechung und dem endgültigen Verlust der letzten drei Haare, steht der letzte Plan dieser Tour
Navi auf Autobahnmodus geändert und Option „nach Hause“ ausgewählt. Das Maß ist endgültig voll! Wir wollen nur noch Heim und dieses Desaster von Reise endlich hinter uns bringen...
Samstag.
Das Display meiner BMW zeigt 22:04 Uhr. Ich drehe den Zündschlüssel nach links und mit einem klackenden Geräusch stirbt der Motor der GS.
„Ich bin wieder zu Hause und stehe endlich vor meiner Garage!“
P.S.
Mein Friseur wird mich beim nächsten Besuch bestimmt fragen, was mit meinen Haaren passiert ist....